Zukunft, nicht nur für die Bioladen-Bourgeoisie
Gemeinsame Agenda: Soziale Gerechtigkeit und ökologischer Umbau gehören zusammen, sagen Paritätischer Gesamtverband und Umweltorganisation BUND
Alle Parteien, die sich zur Bundestagswahl im September stellen, müssen sich daran messen lassen, wie sie soziale Gerechtigkeit im Hier und Jetzt mit der langfristigen Erhaltung von Lebensgrundlagen und Lebensqualität unter einen Hut bringen. Neben der Gewerkschaft ver.di, der Jugendbewegung Fridays for Future und dem Bündnis "Unteilbar", die in diesem "Superwahljahr" gemeinsame Aktionen planen, melden sich auch der Paritätische Gesamtverband und die Umweltorganisation BUND zu Wort. Gemeinsam stellten sie am Mittwoch in Berlin eine "Zukunftsagenda für die Vielen" vor.
Darin gehen sie ausführlich auf die Lebensrealität der Menschen ein, die es sich nur selten leisten können, im Bioladen einzukaufen, aber im Durchschnitt weniger zur Umweltzerstörung beitragen als die Besserverdienenden.
"Gigantische Umverteilung"
"Natur- und Umweltschutz und eine echte sozial-ökologische Wende funktionieren nur dann, wenn alle Menschen mitgenommen werden und niemand zurückgelassen wird", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. "Hier kommen enorme Anstrengungen und eine gigantische Umverteilung auf uns zu, die es aber konsequent und solidarisch zu stemmen gilt." Fatal wäre es aus seiner Sicht, "wenn Umweltschutz- gegen Sozialpolitik ausgespielt" werde.
"Wir stehen in der Verantwortung, unsere Art und Weise des Zusammenlebens und des Wirtschaftens massiv zu ändern", betonte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Die Trennung der ökologischen und der sozialen Frage sei "künstlich" und lenke ab von der Frage: "Habe ich den politischen Willen, eine wirksame Politik gegen die Umweltkrisen zu erarbeiten und diesen Prozess sozial gerecht zu gestalten?"
Es blieben noch zehn Jahre für wirksame Maßnahmen, um der Verantwortung für die Menschen und zukünftigen Generationen in diesem Land nachzukommen, so Bandt. "Das hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht auch deutlich angemahnt und damit einen neuen Kompass für Umweltpolitik und die Freiheit zukünftiger Generationen definiert."
In der gemeinsamen Zukunftsagenda werden unter anderem eine "naturverträgliche Energierevolution", "nachhaltige Mobilität für alle", "Wohnen und Boden in Gemeinschaftshand" sowie "gute Pflege und Gesundheitsversorgung für alle" gefordert.
Reichensteuer, "Pro-Kopf-Ökobonus" und Recht auf Reparatur
In einem Neun-Punkte-Plan sprechen sich die beiden Verbände für die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer, eine "effektive Erbschaftssteuer" und eine Finanztransaktionssteuer aus, um die Kosten für die Bewältigung der Corona-Krise und den ökologischen Umbau zu stemmen. Gefordert wird zwar auch eine deutliche Anhebung des CO2-Preises von momentan 25 Euro auf zunächst 50 Euro pro Tonne - diese Mehreinnahmen sollen aber vollständig über einen "Pro-Kopf-Ökobonus" zurück an die Bevölkerung fließen.
Außerdem soll es laut der Zukunftsagenda ein "Recht auf Reparatur" geben: "Jedes neu produzierte Produkt muss verpflichtend reparierbar sein. Reparaturen müssen substanziell günstiger sein als Neuanschaffungen, daher fordern wir eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen von 19 auf sieben Prozent."
Um "soziale Sicherheit für die Transformation" zu gewährleisten, sollen sowohl der Mindestlohn als auch die Regelsätze beim Arbeitslosengeld II erhöht werden. Letztere für alleinlebende Erwachsene auf 644 Euro im Monat. Sanktionen für die Bedürftigen seien vollständig abzuschaffen. Außerdem wird eine "existenzsichernde Kindergrundsicherung" gefordert. Um zu ermitteln was ein Menschen zum Leben - inklusive der Anschaffung energiesparender Geräte - braucht, soll die neue Bundesregierung, wer immer das ist, eine Expertenkommission einsetzen.