Zukunftswerkstatt Griechenland
Seite 2: Eine finanzielle "Atombombe"
Im Rahmen der Sanktionspolitik gegenüber Russland hatte das EU-Parlament im vergangenen Jahr vorgeschlagen, das Land vom internationalen Zahlungssystem SWIFT auszuschließen. Damals schrieb der Wirtschaftsjournalist Wolfgang Münchau in einer Kolumne: "Zahlungssysteme sind die Atombomben des Finanzkriegs", und empfahl mit dieser Begründung ihren Einsatz gegen Putin.
Soweit wollten die EU und die USA dann aber doch nicht gehen. Dieses Mittel ist bis jetzt nur im Rahmen der Sanktionen gegen den Iran zum Einsatz gekommen. Im Falle Griechenlands musste man die Organisation SWIFT erst gar nicht bemühen, um denselben Effekt auszulösen. Hier reichten zwei Entscheidungen der EZB. Die finanzielle "Atombombe" wurde gegen einen Staat gezündet, der politisch und wirtschaftlich voll in Europa integriert ist.
Man fragt sich unwillkürlich, was der griechische Premier Tsipras eigentlich verbrochen hat. Aber er hat weder Mazedonien annektiert, noch den deutschen Finanzminister mit irgendeiner Bombe bedroht. Sein einziges Vergehen bestand darin, nach fünf Jahren Austerität und Rezession in Griechenland einen Neuanfang zu versuchen und deshalb die Konditionen der alten Vereinbarung mit den Gläubigern neu verhandeln zu wollen.
Griechenland war im Jahre 2007, vor Beginn der Finanzkrise, mit einer Schuldenquote von ungefähr 100 Prozent des Bruttosozialprodukts auf einem Niveau verschuldet war, mit dem Länder wie Großbritannien, Italien oder die USA lange Zeit gelebt haben oder das nach wie vor tun. Die Staatsschuldenquote war seit dem Jahr 2000 in etwa stabil geblieben. Erst infolge die Finanzkrise, und seit 2010 durch die Umschuldungen und die erzwungene Austeritätspolitik, stieg die griechische Schuldenquote auf untragbare 170 Prozent an.
Mit ihrer wirtschaftlichen "Shock and Awe"-Strategie hat die Eurogruppe diese Schulden nun noch weiter erhöht, denn die Schäden im griechischen Bankensystem können nur mit neuen Krediten ausgeglichen werden - natürlich zulasten der griechischen Bürger.
Nach der langen Verhandlungsnacht des 12. Juli und der praktisch bedingungslosen Kapitulation Griechenlands gab es in vielen europäischen Ländern und bei international anerkannten Ökonomen einen Aufschrei des Entsetzens. Man fragte sich, aus welchen Gründen die Eurogruppe, allen voran die deutsche Regierung, mit aller Gewalt an einer Strategie festhält, die Griechenland immer weiter ins Elend treibt und die auf der Gläubigerseite immer neue Kredite erzwingt, von denen jeder weiß, dass sie nicht zurückgezahlt werden können.
Manche diagnostizierten eine "Unbelehrbarkeit" Angela Merkels, andere pure "Rachsucht" bei Wolfgang Schäuble. In den sozialen Medien erfreute sich die These vom "Coup" gegen die störrische Syriza-Regierung großer Beliebtheit. An all diesen Diagnosen mag etwas dran sein. Doch um die Logik dieser anscheinend "verrückten" Strategie der Eurogruppe zu verstehen, lohnt es sich, die Sache vom Ergebnis her zu betrachten.