"Zunehmend sektenartig"

Querdenken-Initiator Michael Ballweg in Ulm. Bild: Wald-Burger8/CC BY-SA 4.0

Ernsthafte Gefahr für den Staat und das Leben? Markus Söder will Überprüfung der Querdenker durch Verfassungsschutz

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Markus Söder macht sich große Sorgen. Ausnahmsweise geht es nicht um die Corona-Fallzahlen, sondern um eine sektenartige Entwicklung, die er zunehmend beim "sogenannten Querdenken" (Söder) sieht. Im Interview mit dem Merkur antwortet er auf die Frage, ob Bekannte von ihm auf Querdenker-Demos seien, "ich hoffe nicht" - und mit dem Vorstoß, dass der Verfassungsschutz "genau unter die Lupe nehmen (muss), was sich da entwickelt."

"Jeder sollte genau hinschauen, mit wem man demonstriert", so der CSU-Ministerpräsident. Besonders der Verfassungsschutz, weil sich ein wachsendes Konglomerat von Rechtsextremen, Reichsbürgern, Antisemiten und absurden Verschwörungstheoretikern entwickle. "Viele dieser Gruppen wollen einen anderen Staat".

Fragt sich, wie die Verbindungen dieser Gruppen, die einen anderen Staat wollen, zu "Querdenken" genau aussehen. SPD-Landtagsabgeordneter Florian Ritter, der die Querdenker-Demonstrationen ebenfalls im Auge hat, meint im Gespräch mit Telepolis, dass man über den Vorschlag Söders diskutieren müsse.

Eine Kernfrage sei, wie die Positionen von Querdenkern zum Rechtsstaat konkret aussehen. Auch der SPD-Landtagsabgeordnete sieht zunehmend bedenkliche Entwicklungen, zum Beispiel seien Demonstrationen darauf ausgelegt, Auflagen zu umgehen, dazu komme eine Strategie der "maximalen Konfrontation". Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei aber an rechtliche Bedingungen geknüpft: "Es braucht gesicherte Erkenntnisse."

Dem Vorschlag Söders, den Verfassungsschutz zur Beobachtung von Querdenken einzuschalten, steht er grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber. Er finde ihn aber auch "irritierend" und "nassforsch":

Das bayerische Innenministerium bekommt es ja nicht einmal hin, QAnon zu beobachten. Deren Vertreter sind eindeutig gegen das politische System ausgerichtet und gewaltbereit.

Florian Ritter, SPD

Auch Ritter beunruhigt, hier ähnlich wie Söder, eine Dynamik, die sich im Stimmungsbild zeigt - anschaulich auf Demonstrationen, bei denen "Querdenker" eine Rolle spielen. Er distanzierte sich allerdings von Allgemeinurteilen über Teilnehmer von Demonstrationen, die gegen Corona-Maßnahmen protestieren. Dazu erwähnt er die Demonstration aus dem Kulturbereich. Der bayerische Innenminister Herrmann erklärte diese Woche, die Querdenker seien "eine äußerst heterogene Gruppierung, die wir genau im Blick haben".

Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist offenbar schon länger Thema. Momentan sei der gesetzliche Beobachtungsauftrag des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht eröffnet, so Hermann, auch im Verfassungsschutzverbund werden die Gruppierungen derzeit nicht als Beobachtungsobjekte geführt.

Wichtig ist hierbei zu sagen: Die Entscheidung zur Beobachtung ist keine politische, sondern eine gesetzliche, die das Landesamt für Verfassungsschutz vornimmt. Das Landesamt achtet übrigens bereits jetzt ganz genau darauf, ob Extremisten ihre Teilnahme unter anderem an den Veranstaltungen der "Querdenker" ankündigen und versuchen, diese zu beeinflussen.

Joachim Herrmann (CSU)

Wie sein Chef Söder macht Hermann auf Anschlussmöglichkeiten von Rechtsextremisten, Reichsbürgern und "Selbstverwalter" aufmerksam, die "versuchen, sich die Corona-Krise zu Nutze zu machen und sich an entsprechenden Demos beteiligen".

"Einzelne Personen aus der rechtsextremen Szene sind ja schon bisher auf dem Schirm", so Söder im aktuellen Merkur-Interview. Das solle nun weiter unter die Lupe genommen werden. Bayerns Verfassungsschutz handele selbstständig und ohne Auftrag, betont er auf die Frage, ob seine Äußerung ein Arbeitsauftrag sei.

Die Reichsbürger seien anfangs unterschätzt worden. Man habe laut Söder erlebt, "wie aus einer völlig absurden Idee eine ernsthafte Gefahr für den Staat und das Leben entstehen kann". Er habe ein ungutes Gefühl, dass sich bei einem Teil der Querdenker Ähnliches anbahnt.