Zur Trödelstatistik und R-Wert Diskussion der Corona Daten

Seite 3: Wann hatte die Epidemie ihren Turnaround, d.h. ab wann sind die Neuinfektionen tatsächlich wieder zurückgegangen?

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Fig 7 zeigt ein sehr deutliches Maximum zwischen dem 18.-19. März. Berücksichtigt man noch, dass die Balkenhöhen in Fig 7 gleitende Mittelwerte der jeweils letzten 4 Tage anzeigen, dürfte die richtige Datumszuordnung vermutlich einen Tag früher liegen. Zur Orientierung sind in Fig 7 auch die 3 wichtigsten Meilensteine zu den damaligen Kontakteinschränkungen eingezeichnet.

  1. Verbot von Großveranstaltungen ab dem 09.03.
  2. Schließung der Schulen und Kindergärten ab dem 16.03.
  3. Lockdown der Volkswirtschaft am 23.03.2020

Rechnet man noch die Inkubationszeit von 5-6 Tagen ein, so lässt sich nur schwerlich argumentieren, dass die Schul- und Kindergartenschließungen noch maßgeblich zur Trendumkehr beigetragen hätten. Zudem ist aus heutiger Sicht aus dem Verlauf der Kurve nach dem 23.03. kein signifikanter Einfluss durch den Lockdown erkennbar. Schon gar nicht im Vergleich zu dem scharfen Peak am Umkehrpunkt!

Dies umso mehr, wenn man in Fig 7 die imputierten Werte ignoriert und nur die dunkelblauen Balken mit bekanntem Erkrankungsbeginn betrachtet. Der qualitative zeitliche Verlauf ist nahezu identisch, das Maximum liegt an der gleichen Stelle, der Verlauf danach sieht deutlich gleichmäßiger aus.1

Diese Beobachtungen sind nicht neu, ähnlich hatte z.B. Andreas Stiller bereits am 14. April auf heise.de argumentiert.

Nachdem nunmehr keine Gefahr mehr besteht, die Lockdown-Disziplin beim Volk zu gefährden, wäre es jetzt endlich an der Zeit, dass sich die verantwortlichen Wissenschaftler und Politiker einer offenen Analyse zu dieser Fragestellung stellen.

Die bisherige Aussage des RKI, nur durch den Lockdown der gesamten Volkswirtschaft wäre ein Wiederanstieg der Neuinfektionen verhindert worden, kann auf Dauer nicht überzeugen. Wie würde sich denn der scharfe Peak am Umkehrpunkt dann erklären?

Man darf hier zu Recht eine stichhaltigere Erklärung erwarten, ob denn nicht z.B. das Verbot der Großveranstaltungen, eventuell die Kindergarten- und Schulschließungen zusammen mit dem allgemeinen Gebot der Abstandhaltung und ggfs. noch einer Mundschutzpflicht ausgereicht hätten, den gleichen Effekt zu erzeugen. Gerade auch, um die zunehmend grassierenden Verschwörungstheorien nicht durch öffentliches Schweigen zu befeuern, wäre eine offene Diskussion hierzu wünschenswert und hilfreich.

Die Rolle der R-Zahl

Abschließend wollen wir noch auf die Rolle der Reproduktionszahl R in der obigen Diskussion eingehen. Wenn man den Verlauf der Neuinfektionen pro Tag als Geschwindigkeit der Corona Ausbreitung interpretiert, dann wäre die Reproduktionszahl R ein Maß für die Beschleunigung, also die Zunahme oder Abnahme der Geschwindigkeit. Konkret misst das RKI solche Veränderungen immer im 4-Tagesabstand (sog. Generationszeit). Wenn wir also mit N(t) die über 4 Tage gleitend gemittelten Neuinfektionen zum Datum t bezeichnen, dann gilt:

N(t+4)=R(t) N(t)

(Wer sich für mehr Details interessiert, sei auf folgende Tutorials verwiesen: F. Nill, Tutorial: Corona Reproduktionszahl (26.04.2020)und A. Stiller, Die Mathematik hinter den Reproduktionszahlen R (01.05.2020).)

Alternativ kann man auch r=R-1 betrachten. Aus der obigen Formel folgt dann

N(t+4)-N(t)=r(t) N(t)

Also beschreibt r(t) nichts anderes als die Zuwachsrate der im Abstand von jeweils 4 Tagen gemittelten Neuinfektionen. Für r>0 (d.h. R>1) nehmen die Neuinfektionen zu, für r=0 (d.h. R=1) bleiben sie gleich und für r<0 (d.h. R<1) nehmen sie ab. In einem schematischen Verlauf gemäß Fig 7 hätten wir also den folgenden Zusammenhang (Fig 8):

Fig 8: Zuordnung von R-Werten zum Verlauf der Neuinfizierten (schematisch)

Beim Umkehrpunkt der Epidemie (d.h. beim Wechsel von steigenden zu fallenden Werten der Neuinfektionen) wechselt also R vom Bereich R> 1 zum Bereich R< 1. Das Maximum der Kurve entspricht genau R=1.

Aus dieser Sichtweise heraus ist die obige Diskussion zur Frage "Wann war der Turnaround?" äquivalent zur Frage "Wann sank der R-Wert erstmals von R>1 auf bzw. unter die Marke R=1?".

In diesem Kontext war die Frage der Kausalität der Kontakteinschränkungen z.B. bereits am 14.04. von Andreas Stiller bei heise.de angesprochen worden: Neue RKI-Corona-Fall-Studie: Einfluss der Kontaktsperre eher mäßig.

Von der Öffentlichkeit weitaus stärker beachtet wurde eine inhaltlich gleichlautende Wortmeldung des Direktors des Instituts für öffentliche Finanzen der Leibnitz Universität Hannover, Prof. Dr. S. Homburg, in einem Youtube-Interview am 17.04., im ZDF heute Journal vom 19.04. sowie einem Folgeinterview vom 20.04.2020.

Gegenstimmen zu Homburgs Kritik wurden in vielen Kanälen laut, die wenigsten auch nur einigermaßen wissenschaftlich profund und präzise. Beispielhaft hier nur einige Links:

Warum der Corona-Lockdown nicht sinnlos war

Virologe entlarvt Corona-Fakes

Faktencheck zu Stefan Homburg

Was Sie über die Grafik wissen sollten, über die Deutschland spricht

"Das Robert-Koch-Institut hat schwere Fehler gemacht"

Einen etwas tiefer gehenden Gegenfaktencheck zu all diesen Wortmeldungen hatte ich am 26.04. online gestellt.