Zurück auf die Straße

"Denn Gold find man bekanntlich im Dreck, und Straßen sind aus Dreck gebaut" - NBA Street 2 von EA Sports Big

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Sportspiele haben sich in den vergangen Jahren weitgehend von Action-Titeln zu Simulationen entwickelt. Electronic Arts deckt mit dem Label EA Sports die Palette der populären Sportarten - darunter mit "NBA Live 2003" auch Basketball - ab. NBA Street 2 dagegen veröffentlich der Spieleriese unter dem Label "EA Sports Big" für GameCube, Playstation 2 und XBox (jedoch im Gegensatz zu den "NBA Live"-Spielen nicht für PC) - und kehrt damit zurück zum Action-Spiel mit Dunks, Tricks und Bewegungen, die gar nicht erst den Verdacht einer Simulation aufkommen lassen.

Gewisse Tendenzen einer Gratwanderung zwischen Simulation und Action-Titel wies bereits "NBA Live 2003" auf, obwohl das erste "NBA Street" bereits voriges Jahr erschien. Auch in Nintendo "NBA Courtside 2002" entscheidet der Spieler zwischen Simulations- und Action-Modus, wobei der Titel für ein Action-Spiel ein wenig zu müde und für eine Simulation nicht realistisch genug war. Echte Hardcore-Basketball-Gamer greifen zu Segas "NBA 2K3", das dem Gelegenheitsdribbler jedoch kaum eine realistische Chance lässt.

"NBA Street 2" versucht erst gar nicht, den Spieler in die komplexe Welt eines NBA-Matches zu entführen, und setzt einen Modus, den die anderen Titel als Beiwerk haben, in den Mittelpunkt: Streetball. Drei statt fünf Spieler pro Mannschaft kämpfen um die Körbe, ein Korb bringt einen Punkt innerhalb und zwei Punkte außerhalb der Zone - im Gegensatz zu zwei beziehungsweise drei Punkten eines regulären Matches.

Wie in "herkömmlichen" Basketball-Titeln gilt es auch in "NBA Street 2", in der Verteidigung zu Blocken und dem dribbelnden Angreifer den Ball zu entwenden und als Angreifer eben dies durch geschicktes Pass- und Wurfspiel zu umgehen, um den Ball im Korb zu platzieren. Der entscheidende Dreh im Angriff sind spezielle "Moves", um die Verteidigung auszuhebeln - erfolgreiche Tricks führen zum "Fakeout", bringen den Verteidiger ins Straucheln und sorgen somit für eine freie Wurfbahn zum Korb.

Tricks zwingen den Verteidiger zu Boden

Das Tricksystem ist im Vergleich zu einem "Tony Hawk's Pro Skater" (vgl. Das Brett, das die Welt bedeutet) relativ einfach gehalten und erfordert keine Fingerakrobatik wie Activisions Skater-Titel, in dem die Kunststücke im Mittelpunkt stehen. Dennoch gibt es unterschiedlich komplexe Moves, für die immerhin bis zu vier Buttons gleichzeitig gedrückt werden wollen. Zwar lassen sich die gegnerischen Verteidiger auch durch gut getimed angebrachte simple Tricks, für die nur ein Finger bemüht werden muss, ins Stolpern bringen, aber Moves sind - besonders im Wettkampf gegen menschliche Mitstreiter - eine Frage des guten Stils, der sportlichen Ästhetik.

Stilvolles Spiel ist die Stärke von "NBA Street 2" und es bietet deutlich mehr Spielraum als der erste Release des Spiels. Die neuen Moves "Off the Heezay" und "Back 2 Papa" dienen vor allem dazu, den Gegner alt aussehen zu lassen, ihm den Ball vor Augen tanzen zu lassen (durchaus mit dem Risiko, dass er ihn sich schnappt - doch gerade darin liegt ja der Reiz, das kindlich schöne "Ätsch"), um ihn anschließend doch selbst wieder in den Händen zu halten. In "Back 2 Papa" spielt der Angreifer den Ball hinter den Korb gegen das Brett, um ihn wieder in Empfang zu nehmen und erst anschließend ernsthaft zu versenken. Bei "Off the Heezay" ersetzt gar der gegnerische Kopf das Brett - ätsch!

Auch der Korb selbst muss kein schnöder Wurf oder Dunk sein, ein "Honey-Dip" oder ein "Dunkalicious" erfordert zwar zwei gedrückte Buttons mehr, hat aber weit mehr Stil. Gutes Zusammenspiel beweisen die Spieler beim "Alley-Oop": Dafür passt der Spieler zum im Sprung befindlichen Teamkameraden, der den Ball mit einem Dunk versenkt. Kleine Verfeinerung hierbei in Version 2: Der Spieler kann selbst zum Passempfänger werden statt auf den springenden Team-Kameraden zu warten.

Mit Dirk Nowitzki auf der Straße

(Nicht nur) ganz nebenbei sammelt das Team mit Tricks Energie, die der Spieler, sobald er genügend beisammen hat, in einen Gamebreaker umwandeln kann, einen Korbwurf, der - so er denn erfolgreich ist - dem Gegner einen Punkt abzieht. Dieses System hat Electronic Arts seit "NBA Street" erweitert: Spart der Spieler einen Gamebreaker auf, darf er mit erneut gefüllter Energieleiste einen Level 2 Gamebreaker landen. Dieser kann nicht geblockt werden, bringt dem eigenen Team und kostet das gegnerische Team mehr Punkte - und ist der ästhetische Höhepunkt, an dem alle Angreifer beteiligt sind und der mehr nach Harlem Globetrotters ausschaut als nach einem herkömmlichen Streetball Match.

Bei aller freien Interpretation hinsichtlich Sprung- versus Schwerkraft, greift Electronic Arts auf die NBA-Lizenz zurück, sodass der Spieler authentische Teams - freilich auf drei Spieler reduziert - in nicht ganz so authentische Matches auf die Courts schickt. Ein großer Vorteil des komplett englischsprachigen Spiels: Der deutsche Kommentator bleibt einem erspart. Die virtuellen Ballkünstler entsprechen nicht nur in Punkto Namen und Aussehen den menschlichen Vorbildern, sondern haben auch - soweit man das als nicht NBA-Fan beurteilen kann - deren Stärken: Ein Dirk Nowitzki hat deutlich bessere Shot- als Steal-Werte.

Neben dem Freundschaftsspiel, dem "Pick up Game", gibt es zwei weitere Spielmodi: Für die "NBA Challenge" sucht sich der Spieler sein Lieblingsteam heraus, mit dem er dann gegen die anderen 29 NBA-Teams Region für Region antritt, wobei er es am Ende jeder Region mit deren All Stars Team aunfnehmen muss. Im "Be a Legend"-Modus führt der Spieler seinen eigenen Dribbler vom Niemand zur Basketball-Legende. Dazu muss er normale Punktspiele und Turniere gewinnen und sich vor besonderen Challenges stellen, in denen besondere Regeln gelten. Einmal werden nur Dunks gewertet, in einer anderen Challenge zählen Trickpunkte statt Körbe.

Der eigene Star: "Be a Legend"

All diese Sonderwertungen können auch ein Freundschaftsspiel bestimmen. Dank beliebiger Anpassung der Teams, Regeln und des Vorsprungs, der dem schwächeren Spieler gewährt wird, können sich auch auch unterschiedlich starke Spieler spannende Wettkämpfe liefern, was in den mehr in Richtung Simulation gehenden Spielen schwierig ist. Schließlich geht es nicht ums Siegen - gut, es geht natürlich doch ums Gewinnen, aber möglichst schön und möglichst spannend. Insgesamt können bis zu vier Spieler an einer Konsole gleichzeitig spielen (einen Online-Modus gibt es nicht), allerdings maximal zwei Spieler pro Team - ein Spiel mit drei festgelegten Spielern eines Teams, wie es in manchen Basketball-Titeln möglich ist, fehlt leider.

Wer akkurates Basketball sucht, sollte um "NBA Street 2" einen großen Bogen machen und lieber zu Segas "NBA 2K3" greifen. Fernab vom Simulationsgedanken ist "NBA Street 2" jedoch ein hervorragendes Action-Sportspiel, bei dem es mehr auf Reaktion und Geschick als auf Taktik ankommt. Wer in der Verteidigung zu lange überlegt, bekommt den Ball vor den Kopf, ein langsamer Angreifer verliert den Ball durch einen Steal des Gegners. Bei aller künstlerischen Freiheit, die sich das Spiel leistet, bleibt eine Grundregel des Basketball übrigens erhalten: Nicht im Angriff sondern in der Verteidigung wird das Match gewonnen. Doch wenigstens darf der Angreifer Stil beweisen, den Verteidiger mit einem "off the Heezay" vorführen und sich nach einem "Honey Dip" auf dem Street-Court trotz Hip-Hop-Untermalung nach Westernhagen-Art freuen: "Ich möcht' zurück auf die Straße. ... Denn Gold find man bekanntlich im Dreck, und Straßen sind aus Dreck gebaut"