Zweite Chance für die Generation Baseballschläger

Landtag in Magdeburg. Bild: Torsten Maue/CC BY-SA 2.0

Sachsen-Anhalt: Der Streit in der Union hängt damit zusammen, dass die CDU eine Kooperation mit der AfD ausschließt. Aber wie lange gilt das noch?

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Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU? Diese Frage löste in Sachsen-Anhalt eine Koalitionskrise aus. Denn sie stand über einer Presseerklärung der Bündnisgrünen in Sachsen-Anhalt. Die befindet sich in einer Koalition mit der CDU.

Dort war man natürlich empört und forderte eine Entschuldigung vom ungeliebten Koalitionspartner. Schließlich macht die Mehrheit der CDU deutlich, dass sie die Kooperation nicht zur Förderung ökokapitalistischer Motive eingegangen ist. Sie will vielmehr hier ihrem Beschluss treu bleiben, dass es keine Kooperation mit der Linkspartei und der AfD geben soll. Immer wieder gibt es an der CDU-Basis Vorstöße, die Abgrenzung nach Rechtsaußen aufzuheben.

Erst Anfang September sorgte ein Papier für Schlagzeilen, in dem gefordert wurde, das Nationale mit dem Sozialen zu verbinden. Vor einigen Wochen musste der CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt auf Druck der beiden Koalitionspartner SPD und Grüne dem vorher hochgelobten rechten Polizeigewerkschaftler Reiner Wendt mitteilen, dass er doch nicht Staatssekretär in seinem Ressort werden kann.

SPD und Grüne befürchten, dass mit der Berufung Wendt ein Signal nach Rechtsaußen gesandt werden sollte. In der CDU-Basis gab es aber viel Unzufriedenheit damit, dass nun mit Wendt ein Law-and-Order-Politiker geopfert wurde, der zuvor hochgelobt wurde. Nun geht der Streit wieder um ein CDU-Mitglied, das aber anders als Wendt bisher kaum bekannt war.

Es geht um Robert Möritz, der für die CDU im Kreistag Anhalt-Bitterfeld sitzt. Zunächst wurde er mit einem rechten Tattoo bekannt, das auch Hakenkreuze zeigen soll. Darauf bezog sich die provokative Frage der Grünen.

Bald stellte sich heraus, dass er vor 8 Jahren als Ordner an einer Neonazi-Demonstration teilgenommen hat. Zunächst leugnete Möritz seine rechte Vergangenheit, dann räumte er sie ein. Doch die CDU wollte sich nicht von ihm trennen. Der Generalsekretär der CDU-Sachsen-Anhalt, Sven Schulze erklärte, dass Möritz eine zweite Chance verdient habe.

Das erinnert bis in die Wortwahl an die Zeit, als nach 1945 viele ehemaligen Nazis eine zweite Chance in der CDU bekommen haben. Damals hatten viele Hakenkreuze Platz in der Union. Die Ex-NSDAP-Mitglieder gingen nach dem erzwungenen Ende ihrer alten Partei recht unterschiedlich damit um. Manche überklebten den Haken wie es schon Berthold Brecht in seinem Gedicht vom Anachronistischen Zug.

Doch dem Kreuz dort auf dem Laken
Fehlten heute ein paar Haken,
Da man mit den Zeiten lebt,
Sind die Haken überklebt.

Berthold Brecht in Anachronistischer Zug oder Freiheit oder Democracy

Manche setzen aber recht ungeniert ihre politische Tätigkeit im Kampf gegen den "Weltbolschewismus" in der CDU fort. Nur der Antisemitismus musste etwas kaschiert werden. Die Ex-Nazis nutzten also in der Regel ihre zweite Chance in den Unionsparteien sehr gut und prägten die Partei bis in die 1970er Jahre.

Die Filbinger-Affäre war eine der großen Aufwallungen, in einer Zeit, wo es eben nicht mehr selbstverständlich war, dass Nazis eine zweite Chance in einer Regierungspartei bekommen sollten. Doch zu diesem Zeitpunkt waren sie schon längst alle im Rentenalter. Noch mehr Hakenkreuze als in der Union, wo es einen Kern von christlichen NS-Gegnern gab, hatte damals die FDP aufzubieten.

2019 bekommen nun mit Möritz die meist männlichen Protagonisten der Generation Baseballschläger eine zweite Chance, die in den Nachwendejahren in unterschiedlicher Weise rechts sozialisiert waren.