Zwischen Niedrigsteuern und Hexenkult

Mit Tea-Party-Stimmung und einem "Pledge to America" wollen die Republikaner im November ihren Kongresswahlerfolg von 1994 wiederholen

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Am 2. November finden in den USA die sogenannten sogenannten Midterm Elections statt - dann werden ein Drittel des Senats und das komplette Repräsentantenhaus neu gewählt. Während zu Anfang des Jahres selbst der republikanische Parteichef Michael Steele noch nicht damit rechnete, die Mehrheit in beiden Kammern erreichen zu können, scheint dieses Ziel nun in greifbare Nähe gerückt.

Ein Grund dafür ist die Tea-Party-Bewegung, mit deren Hilfe die Partei eine keineswegs nur bei ihren Stammwählern verbreitete Unzufriedenheit kanalisiert. Dieses Kanalisieren von Unzufriedenheit gelang den Republikanern schon einmal - vor sechzehn Jahren. Damals präsentierte die GOP unter Führung von Newt Gingrich viele ihrer neuen Kandidaten als Männer vom Lande, die sich wie in einem Frank-Capra-Film nach Washington aufmachten, um dort aufzuräumen.

Das klappte so gut, dass die Republikaner mit einem Zugewinn von 54 Sitzen eine seit 1954 bestehende demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus im Handstreich nahmen und durch acht hinzugewonnene Sitze auch den Senat unter ihre Kontrolle brachten, den die Demokraten seit 1986 beherrscht hatten. Diesmal müssen die Republikaner 39 demokratische Sitze im Repräsentantenhaus und 10 im Senat erobern, um in beiden Kammern eine Mehrheit zu haben.

Ein zentrales Instrument der Strategie Gingrichs war ein "Contract with America", den er den Medien sechs Wochen vor der Wahl präsentierte. In ihm verpflichteten sich fast alle republikanischen Kandidaten zu niedrigeren Steuern, weniger Staat und einer Reihe demokratiepolitischer Reformen. Da der "Vertrag" allerdings nicht nur unscharf formuliert, sondern auch rechtlich nicht bindend war, änderte er an der bestehenden politischen Kultur recht wenig.

Trotzdem nutzte die republikanische Partei den "Contract with America" als offensichtliche Vorlage für ihr "Pledge to America", das sie gestern in einem Baumarkt in Virginia der Öffentlichkeit präsentierte. Die Rhetorik des Papiers, in dem die republikanischen Kandidaten erneut einen radikalen Bruch mit den eingespielten Traditionen der Washingtoner Elite versprechen, ist klar erkennbar von der Tea Party geprägt. "Eine unkontrollierte Exekutive, eine willfährige Legislative und eine über ihre Grenzen hinausgreifende Judikative haben sich vereinigt, um den Willen des Volkes, seine Entscheidungen und seine Werte, zu hintertreiben" heißt es da beispielsweise, oder "eine arrogante und abgehobene Regierung aus selbst ernannten Eliten trifft Entscheidungen, vergibt Mandate und setzt Gesetze in Kraft".

Inhaltlich verspricht das 21 Seiten starke Papier die Beibehaltung der am 31. Dezember auslaufenden niedrigen Steuersätze der Bush-Ärä. Das wollen zwar auch die Demokraten - allerdings sind in ihren Plänen Spitzenverdiener mit einem Jahreseinkommen von über 200.000 Dollar (beziehungsweise 250.000 Dollar für Ehepaare) ausgenommen.

Um ihre Steuerpläne zu finanzieren, wollen die Republikaner die Staatsausgaben zurückfahren. "Common sense exceptions" plant man dabei allerdings ausgerechnet beim Verteidigungshaushalt, der zwischen 2000 und 2008 maßgeblich für das Explodieren der öffentlichen Verschuldung verantwortlich war. Aber auch älteren Menschen, die eine wichtige Wählergruppe sind, suggerieren die Republikaner, dass sie von Kürzungsauswirkungen verschont bleiben.

Hinsichtlich der Gesundheitsreform möchte es sich die Partei offenbar mit niemandem verderben: Erst will sie Obamas Gesundheitsreform rückgängig machen, dann aber die privaten Versicherer daran hindern, Amerikaner wegen Erkrankungen abzulehnen oder ihre Verträge zu lösen. Solch ein formaler Kontraktionszwang lässt sich jedoch leicht dadurch aushebeln, dass man für unerwünschte Personen die Beiträge in unerreichbare Höhen schraubt.

Die Tea Party, die in dem Papier so offensichtlich umworben wird und den Republikanern die Chance auf einen Wahlsieg eröffnet, bringt freilich auch ein gewisses Risiko für die GOP mit sich: Vor allem 12 ihrer Kandidaten, die als besonders radikal gelten und sich in den Vorwahlen gegen etablierte Kader durchsetzten, gelten der Führung als potenzielle Probleme, weil sie die wichtige Gruppe der Wechselwähler verschrecken könnten und Medien einen starken Anreiz liefern, nach "Leichen im Keller" zu suchen. Besonders viel Medienaufmerksamkeit erlangte in diesem Zusammenhang Christine O'Donnell, die Senatskandidatin für den Staat Delaware, die sich gegen den Kongressabgeordneten und ehemaligen Gouverneur Mike Castle durchsetzte.

Christine O'Donnell. Foto. Delawareguy. Lizenz: CC-BY-SA.

Nach den Vorwahlen wurde nicht nur landesweit bekannt, dass sich O'Donnell auf MTV öffentlich gegen Masturbation aussprach, sondern auch, dass sie in Bill Mahers Talkshow Politically Incorrect (die nichts mit dem gleichnamigen deutschen Blog zu tun hat) erzählte, sie habe ein "Date" mit einer "Hexe" gehabt, die satanische Rituale vollführte. Als problematisch daran gilt nicht nur die religiöse Komponente, sondern auch die potenziell sexuelle.

Christine O'Donnell verlautbarte nämlich zum Thema Homosexualität, dass dies eine "Identitätsstörung" sei, während ihre Schwester Jennie , die offen lesbisch lebt und den Wicca-Kult als von ihr selbst praktizierte "therapeutische Methode" lobt, meinte, es sei "zum Lachen", wenn behauptet werde, die Kandidatin sei homophob.