Zwischenfall im persischen Golf: USA im Eskalationsmodus
Iranische Boote sollen einen britischen Tanker bedrängt haben. Laut Pentagon-Vertretern half nur die Androhung von Waffengewalt
Es ist die nächste Schiffsmeldung, die Befürworter einer härteren Gangart gegenüber Iran bestärkt, weil sie besagt, dass die Gefahr, die von dort kommt, keinesfalls unterschätzt werden darf: Bewaffnete iranische Boote hätten am Mittwoch ohne Erfolg versucht, einen britischen Öltanker im persischem Golf zu "ergreifen" bzw. seiner habhaft zu werden, berichtete CNN. Als Quelle nannte der amerikanische Sender zwei US-Vertreter, die "unmittelbares Wissen" von dem Zwischenfall haben sollen.
"Ergreifen" oder "Bedrängen"
Man muss bei solchen Meldungen auf beinahe jedes Wort achten. Jedenfalls auf Schlüsselbegriffe. In der genannten CNN-Meldung wird die Absicht der iranischen Boote gegenüber dem Tanker British Heritage mit "to seize" wiedergegeben, was hier mit "ergreifen" bzw. "habhaft werden" umschrieben wurde. Die spätere Meldung der BBC von Donnerstagnachmittag verwendet dagegen das Wort "to impede", das man mit "hindern" oder sinngemäß mit "bedrängen" übersetzen könnte. Die Meldung des britischen Senders stützt sich auf Aussagen des Sprechers des britischen Verteidigungsministers.
Kein wirklich großer Unterschied, da doch beide Aktionen vor allem aggressiv sind?
Die BBC-Meldung zeigt den Unterschied. Er verwendet "seizure" für die Konfiszierung eines iranischen Tankers durch die Behörden Gibraltars letzte Woche, dem das Entern des Tankers durch britische Marinesoldaten vorangegangen war. Und er erwähnt dazu von Anfang an, dass Iran offiziell jeden Versuch der "seizure"/Ergreifung des britischen Tankers "British Heritage" bestreitet.
Bei CNN taucht zwar auch etwas versteckt in der aktualisierten Meldung der Satz auf, dass die iranischen Revolutionsgarden dementieren, dass sie versucht hätten, "den Tanker zu stoppen". Aber der Satz steht mittendrin in einem längeren Text, der von Anfang an die Spur auf die Lesart lenkt, dass es sich bei der Aggression gegen das britische Schiff in der Nähe der Straße von Hormuz offenbar um die angekündigte Tit-for-Tat-Vergeltungsaktion aus den Reihen der Revolutionsgarden (IRGC) handeln könnte.
Nun ist das Dementi der Revolutionsgarden, die von keinem derartigen Zwischenfall - "in der Straße von Hormuz" (Tagesschau) - wissen wollen, auch nicht unbedingt für bare Münze zu nehmen. Der Vorfall fand laut TankerTrackers in internationalen Gewässern vor der Straße von Hormuz statt.
Bei den Revolutionären Garden befindet man sich auf rhetorischem Gebiet längst in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den USA und mit Großbritannien. In diesem verbalen Krieg wird auch auf dieser Seite, nicht nur auf Trumps Seite, viel ausgereizt.
Die Drohung, nach der Beschlagnahme des iranischen Tankers Grace 1 seinerseits ein britisches Schiff in Beschlag zu nehmen, stammt von einem General der Revolutionsgarden, Mohsen Rezaee, der laut Guardian leitender IRGC-Kommandeur im "Tankerkrieg" des iranisch-irakischen Krieges in den 1980er Jahren war.
Außenminister Sarif: Vorwürfe zielen auf Eskalation ab
Dass sich der iranische Außenminister Sarif ebenfalls gegen die Vorwürfe von CNN wandte und sie als wertlos bezeichnete, ohne sich allerdings detailliert dazu zu äußern, zeigt, dass es um eine politisch wichtige Sache geht, für die er sich aus dem Fenster lehnt. Immerhin erhob die britische Regierung dezidiert Vorwürfe gegen Iran, als verantwortlich für die Aktion, die das Schiff British Heritage daran hindern sollte, die Straße von Hormuz zu passieren: "Contrary to international law, three Iranian vessels attempted to impede the passage of a commercial vessel, British Heritage, through the strait of Hormuz."
Für Sarif ist das Ziel der Vorwürfe klar: Es geht um das Eskalieren von Spannungen. Er führt gegen die Vorwürfe an, dass der Tanker die Straße von Hormuz doch durchfahren habe. Allerdings wird von ihm - wie auch bei den in englisch-sprachigen Berichten übermittelten Äußerungen aus den Reihen der IRGC - gar nicht erwähnt, was sich zuvor im persischen Golf zwischen der Insel Abu Musa und der Westküste der Emirate laut britischen und amerikanischen Berichten zugetragen haben soll: Dass der britische Tanker von "drei iranischen Booten" angegriffen wurde - und sich derer nur mit Hilfe der begleitenden Fregatte HMS Montrose erwehren konnte.
Pläne der USA: Eine internationale Flotte vor der Südküste Irans
Das Kriegsschiff, das in Bahrain stationiert ist schob sich demnach zwischen die Angreifer auf den Booten und dem britischen Tanker. Laut Angaben von Vertretern des Pentagon(!), die offensichtlich mehr "verraten" wollen als ihre Kollegen im Londoner Verteidigungsministerium, seien die iranischen Boote erst abgedreht, als von der HMS Montrose mit der Anwendung von Waffengewalt gedroht wurde.
Warum erzählt eine Seite mehr als die andere? Naheliegend ist der Schluss, dass die abschreckende Wirkung der Androhung von Waffengewalt gut zu den US-Plänen passt, "eine internationale Flotte vor der Südküste des Iran und rund um die arabische Halbinsel aufzustellen", wie mit Bezug auf Äußerungen des US-Marinegenerals Joseph Dunford "vor einem kleinen Kreis ausgewählter Journalisten" berichtet wird:
Gemäß einem Plan, der erst vor wenigen Tagen fertiggestellt worden sei, würden die USA die Kommandoschiffe und die militärische Aufklärung für das Unternehmen zur Verfügung stellen. Kriegsmarinen williger Verbündeter würden die Überwachung der Straße von Hormus und der Meerenge Bab Al-Mandab sowie später auch die Eskortierung von Tankern und anderen Handelsschiffen übernehmen.
Junge Welt
Man suche noch Unterstützer, heißt es. Der aktuelle Zwischenfall ist, so wie er in britischen und US-Medien verbreitet wird, ein passendes Stück zur Bedrohungsrhetorik. Dass eine derartige Aufrüstung nicht deeskalierend ist, sondern eine Provokation, ist offensichtlich. Dabei stellen sich zu den "Schiffsmeldungen" der letzten Wochen einige Fragen, die noch offen sind und sich den von USA - und ihren britischen Assistenten - übermittelten Storys ("Narrativen") nicht unbedingt fügen.
Vorfall in Gibraltar: Verstoß gegen EU-Sanktionen?
Zum Beispiel, ob die Beschlagnahme des iranischen Tankers Grace 1, die angeblich auf Weisung der USA angestoßen wurde, auf eine handfeste und belastbare Rechtsgrundlage, nämlich den Verstoß gegen EU-Sanktionen, gründet? Ein Experte für EU- und US-Handelsrecht namens Tomasz Wlostowski, der außer Verdacht steht, ein Iran-Lobbyist zu sein, sondern die Meldungen und ihre Begründungen sehr genau verfolgt, hat sich die Mühe gemacht, sich die Rechtsgrundlagen genau anzuschauen.
Das Ergebnis kurzgefasst: Der neuralgische Punkt, wo EU-Sanktionen sich juristisch begründet werden könnten - der Transport von iranischem Öl fällt nicht darunter -, wäre der syrische Zielhafen Baniyas.
Dass der iranische Tanker dieses Ziel überhaupt anlaufen wollte, ist aber nicht wirklich bestätigt. Die Behörden in Gibraltar haben am Donnerstag den indischen Kapitän des Schiffes verhaftet, möglich dass dieser Angaben macht, die zur Spekulation passen, dass Baniyas tatsächlich der Zielhafen des Rohöls war, mit dem das Schiff beladen war.
Es gibt aber auch Argumente dagegen, die auf der Webseite von Tanker Trackers vorgebracht werden. Demnach ist das Schiff ungeeignet für das Anlaufen dieses Hafens und bekannt dafür, dass es "Ship to Ship"-Übernahmen der Ladungen macht. So könnte man, bis Genaueres bekannt wird, genau so gut darüber spekulieren, dass das Rohöl auf ein Schiff hätte verladen werden sollen, das gar nicht Syrien beliefern sollte, sondern ein anderes Land.
Der angeblich von Iran sabotierte Tanker fährt Richtung Iran?
Wie eigenartig sich manche Annahmen später darstellen können, zeigt auch das Beispiel des norwegischen Tankers Andrea Victory. Er war im Mai von einem "unbekannten Objekt" getroffen und beschädigt worden, als das Schiff im Emirat Fudschaira vor Anker lag. Der Sabotage verdächtigt wurde Iran wie auch bei nachfolgenden Zwischenfällen (vgl. Tankerexplosionen an der Straße von Hormus: Pompeo beschuldigt Iran).
Nun stellt sich heraus, dass die Andrea Victory laut Bloomberg nach den Reparaturarbeiten ihr Geschäft wieder aufgenommen und beladen mit "fuel", das "Ship to Ship" geladen wurde, Kurs auf einen Zielhafen in Iran nimmt. Wie passt das zum Rahmen (framing), in dem die US-Führung die Schiffsmeldungen präsentiert?
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