AKW Fessenheim: Fauler Kompromiss
Der Stromkonzern EDF bekommt eine Entschädigung von mindestens 490 Millionen Euro. Konservative und FN haben kein Interesse an der Abschaltung
Mit knappster Mehrheit hat der Verwaltungsrat des staatlichen Stromerzeugers EDF nun anscheinend den Weg für die Schließung des ältesten französischen Atomkraftwerks freigemacht. Im Verwaltungsrat hatten die Beschäftigtenvertreter gegen den Kompromiss gestimmt, und die Gewerkschaften riefen zudem zum Streiken auf, da der Weg für die Beendigung der Betriebserlaubnis freigemacht werden sollte. Nur das wurde entschieden und letztlich gab es in dem entscheidenden Gremium eine Patt-Situation. So wurde die Stimme des EDF-Konzernchefs Jean-Bernard Lévy doppelt gezählt und die gab den Ausschlag.
"Frankreich schaltet Uralt-AKW ab", titelt der Spiegel zu dem Vorgang und könnte damit falscher nicht liegen. Es stimmt aber, dass die EDF dafür "üppig entschädigt" wird, denn es sollen für eine angeblich vorzeitige Abschaltung mindestens 490 Millionen Euro an weiteren Subventionen fließen, ohne dass auch nur ein Abschaltdatum in dem Land genannt wird, das einen deutlichen Strommangel hat, wie die Ängste vor einem Blackout in den letzten Tagen demonstrierten.
Abschaltung keine ausgemachte Sache
Dass die beiden Atommeiler am Oberrhein an der deutschen Grenze tatsächlich bis 2018 abgeschaltet werden, wie man durchscheinen lässt, ist längst keine ausgemachte Sache. Denn wieder einmal wird die Abschaltung an die Fertigstellung des Fiasko-Atomkraftwerks im französischen Flamanville geknüpft.
Bekanntlich explodieren bei den neuen EPR-Reaktoren nicht nur die Kosten, bisher auf das Dreifache, sondern sie hinken auch hinter den Zeitplänen her. Eigentlich sollte in Flamanville schon seit fünf Jahren Strom erzeugt werden. Nun peilt die EDF wieder mal einen neuen Fertigstellungstermin, nämlich 2018, an und eben dann erst soll Fessenheim definitiv abgeschaltet werden.
Ob allerdings Flamanville 2018 ans Netz geht, ist schon deshalb fraglich, weil man beim Bau des ersten EPR im finnischen Olkiluoto schon zehn Jahre hinter dem Zeitplan hängt. Und zudem ist da noch der Skandal mit den "Anomalien" bei vermutlich gefälschten Sicherheitszertifikaten und den Problemen bei Schmiedeteilen aus der Areva-Schmiede Creusot Forge und die betreffen in Flamanville ausgerechnet den Reaktordruckbehälter.
Klar ist, dass dieser wachsweiche Kompromiss auch nur deshalb zustande kam, weil Frankreichs Staatschef François Hollande kürzlich Lévy zu sich zitiert hatte, schließlich ist der Staat mit 85% an der EDF beteiligt. Er will vor den Wahlen für seine "Sozialisten" nicht gänzlich mit leeren Händen dastehen. "Als Präsident werde ich das Atomkraftwerk Fessenheim schließen", hatte Hollande im Wahlkampf 2012 das "Versprechen Nr. 41" gegeben.
Konservativen und Ultrarechte haben kein Interesse
Geblieben ist davon nichts, obwohl er es im vergangenen Jahr wiederholte, als bekannt wurde, dass der Schrottreaktor am Oberrhein sogar kurzeitig außer Kontrolle war. Druck hat Hollande auch damit gemacht, dass in Flamanville die Baugenehmigung noch im April – noch unter seiner Ägide - ausläuft und verlängert werden muss.
Aber die EDF hatte auch noch eine zweite Forderung im Gepäck, um für den faulen Kompromiss zu stimmen. Sie verknüpfte den Deal mit der Wiederinbetriebnahme von Block 2 in Paluel. Dort war einer der Dampferzeuger auf dem Weg zu Wartungsarbeiten umgekippt, der 22 Meter hoch und 400 Tonnen schwer ist. Der Meiler ist deshalb seit Mai 2015 abgeschaltet, weil er das Reaktorgebäude deutlich beschädigt hat.
Zu all dem kommt, dass die Konservativen und die Ultrarechten, unter denen sich der Wahlausgang vermutlich entscheidet, weil Hollande seine Partei nach so vielen gebrochenen Versprechen aussichtslos zurücklässt, keinerlei Interesse an einer Abschaltung von Fessenheim haben.
Der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon, der als großer Favorit bei den Wahlen im Frühjahr gehandelt wird, will Fessenheim bei einem Wahlsieg nicht stilllegen. Populistisch, wegen dem Verlust von rund 1100 Stellen, stellt sich auch Marine Le Pen dagegen.
"Atomenergie ist sicher, klimafreundlich und unverzichtbar"
Die französische Rechte meint, trotz aller Pannen und fatalen Problemen sei die Atomenergie sicher, klimafreundlich und unverzichtbar, um die Stromversorgung des Landes zu garantieren. Fillon und Le Pen könnten den Kompromiss ohnehin wieder rückgängig machen, berichtet zum Beispiel Le Monde. Ein Dekret kann erlassen und auch wieder zurückgenommen werden, beschließt die Zeitung ihren Bericht.
Das ist sogar nicht einmal dann ausgeschlossen, wenn die Sozialisten gegen alle Erwartungen doch wieder gewinnen sollten. Dann tatsächlich gelingt es schon jetzt wegen den Problemen mit Bauteilen, Kühlwasser, Zertifikaten, etc. nicht, das Land mit ausreichendem Strom zu versorgen, weshalb es in Phasen wie jetzt oft am Tropf zahlreicher Nachbarländer hängt, damit die Lichter in Frankreich nicht ausgehen.
Kein Land ist vom unzuverlässigen Atomstrom so abhängig wie Frankreich, wo theoretisch in 58 Reaktoren bis zu 80% des Bedarfs erzeugt werden können. Das Land hat die Energiewende verschlafen. Das 2015 verabschiedete Energiewende-Gesetz war eine weitere Rolle rückwärts von Hollande. Es sieht vor, dass der AKW-Anteil bis 2025 nur auf 50% gesenkt werden soll, wozu auch erneuerbare Energien ausgebaut werden sollen. Aber auch das können die Rechten wieder rückgängig machen.