Auch Konservative wollen den Präsidenten der Europarats-Parlamentarier absetzen

Nun wurde die Satzung geändert, um den Skandal-Präsidenten vom Sessel zu reißen, an den er sich weiter klammert

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Auch die konservative EVP-Fraktion hatte gerade den Stab über dem Spanier Pedro Agramunt gebrochen. Mehrheitlich hatten sich auch die Konservativen am Montag dazu durchgerungen, von ihrem Präsidenten der parlamentarischen Versammlung des Europarats den Rücktritt zu fordern.

Das Ergebnis war eindeutig, sagte Axel Fischer, CDU-Bundestagabgeordneter aus Karlsruhe und Vorsitzender der EVP-Fraktion. "Wir hatten 38 Stimmen, die der Meinung sind, dass wir den Präsidenten nicht weiter mittragen sollen, und 26 Stimmen, die zum Präsidenten weiter stehen." Nur noch wenige stehen zu dem schwer umstrittenen Präsidenten, darunter CSU-Bundestagsabgeordnete Tobias Zech.

Es war ohnehin stets ein Fehler, Agramunt im Januar 2016 auf diesen Posten zu heben. Der 66-jährige Jurist ist Mitglied der rechten Volkspartei (PP). Wie kann man rechtfertigen, dass das Mitglied einer Partei, die sich vom Putsch 1936 in seiner spanischen Heimat und der Franco-Diktatur nie distanziert hat und von Ministern dieser Diktatur gegründet wurde, einer Institution vorsteht, die sich als Hüter von Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit versteht? Dazu kommt, dass Spanien selbst immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Folter verurteilt wird, sogar an Journalisten, deren Medien illegal verboten wurden.

Dass er offiziell noch auf dem Präsidentensessel sitzt, ist kafkaesk. Denn der verheiratete Vater von zwei Kindern musste schon im April den Vorsitz der parlamentarischen Versammlung "temporär" abgeben. Das Präsidium hatte Agramunt damals das Misstrauen ausgesprochen. Seither darf der Ultrakonservative den Europarat schon nicht mehr nach außen vertreten, dem er sogar schon seit 16 Jahren angehört.

Im Hintergrund stand, was das Fass zum Überlaufen brachte, dass er sich ohne Absprache in Straßburg zuvor auf eine von russischen Abgeordneten organisierte Reise nach Syrien begab. Er ließ sich dabei auch mit dem Staatschef Baschar al-Assad fotografieren, dessen massive Menschenrechtsverletzungen nun wahrlich bekannt sind. Schon damals forderten die Sozialdemokraten seinen Rücktritt.

Davor wurde im Fall Aserbaidschan seine große Nähe zu dem autokratischen Regime kritisiert. Agramunt war deshalb auch längst erfolglos dazu aufgefordert worden, seinen Posten als Berichterstatter über die Lage in dem Land aufzugeben. Statt systematische Menschenrechtsverletzungen dort anzuprangern, habe er sie eher gedeckt, wird ihm vorgeworfen.

"Im Europarat gibt es ein Netzwerk, das Staaten mit autoritären Tendenzen vor kritischen Stellungnahmen schützt"

Gedeckt hat der Ultrakonservative auch lange den Italiener Luca Volontè. Der ehemalige Europaratsparlamentarier hat mehr als 2 Millionen Euro an Schmiergeldern aus Aserbaidschan erhalten und das auch längst zugegeben. Eine Untersuchung der Vorfälle hat Agramunt massiv behindert, eine wirkliche Aufklärung steht weiter aus. Emails sollen auch seine Verstrickungen in die Korruptionsaffäre belegen, berichten spanische Medien.

Ausgegangen wird davon, dass der Skandal weit über Volontè und Aserbaidschan hinausgeht. "Mittlerweile gibt es im Europarat ein Netzwerk, das Staaten mit autoritären Tendenzen vor kritischen Stellungnahmen schützt", meint der stellvertretende Leiter der deutschen Delegation beim Europarat, Frank Schwabe (SPD). So sei im Januar auch eine Debatte über die Menschenrechtslage in der Türkei gezielt verhindert worden. Deshalb habe sich in Straßburg über Ländergrenzen und Fraktionen hinweg eine Gruppe von Abgeordneten gebildet, die das Thema nicht aussitzen wollten, schreibt der Tagesspiegel, der sich in der Aufdeckung der Vorgänge verdient gemacht hat. 64 Parlamentarier fordern seither eine unabhängige Untersuchung der Korruptionsvorwürfe.

Agramunt gehört der spanischen Volkspartei (PP) an, die in der Heimat bis zur Halskrause in Korruptionsskandalen steckt. Valencia, woher er stammt, ist dabei einer der Schwerpunkte. Da in Spanien Rücktritte mehr als selten sind, versucht sich auch Agramunt bis zum letzten Moment an den Sessel zu klammern. Für ihn kommt ein Rücktritt bisher nicht einmal in Frage, obwohl er sogar in der eigenen konservativen Fraktion kaum noch Unterstützer hat. Aber von der spanischen Regierung unter Mariano Rajoy kam auch kein Machtwort, um ihn zum Rückzug zu drängen.

Deshalb musste am Dienstag von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sogar die Geschäftsordnung geändert werden, um ihn schließlich abwählen zu können, was bisher nicht vorgesehen war. Mit klarer Mehrheit haben die Abgeordneten eine Regelung verabschiedet, die die Abwahl des Präsidenten und anderer Amtsträger erlaubt. Das soll nun möglich sein, wenn ein Amtsinhabers "nicht länger das Vertrauen der Versammlung genießt".

Agramunt kämpft aber weiter um seinen Posten. Seine Anwälte haben alle Botschafter der 47 Mitgliedsstaaten des Europarates angeschrieben. Sie meinen, die Ergänzung der Geschäftsordnung bedeute eine Änderung der Statuten des Europarates. Dazu seien die Abgeordneten nicht berechtigt, sondern nur die Vertreter der Regierungen. Die wenigen Unterstützer von Agramunt, zu denen der CSU-Bundestagsabgeordnete Zech gehört, sprechen in einem Brief sogar von einem "Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit", weil der Spanier nun abgesägt werden soll.