"Autos mit eingebauter Geschwindigkeitsbeschränkung und mit 2 Liter Verbrauch"

"Ich verstehe den Überdruss der Franzosen, wenn es um Ökologie geht" - der französische Umweltschützer Nicolas Hulot fordert, dass Ärmeren die Notwendigkeit von ökologischen Maßnahmen dringlicher und einleuchtender vermittelt wird

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Nicolas Hulot ist in Frankreich die Ikone des Umweltschützers, ein Einzelgänger, der alle Parteien nervt. Allerdings ist dem beizufügen, dass er auffallend still ist, wenn es um den Atomkonsens im Nachbarland geht - an dieser Bastion rüttelt er nur zaghaft. Geht es um die Klimapolitik, besonders um die der europäischen Länder, so weiß der seit Jahrzehnten geübte Präsentator von Umweltthemen im Fernsehen, wie er mit drastischen Zuspitzungen und weit ausholenden Appellen die Aufmerksamkeit des Publikums erlangen kann. (" Wir sind in der Stunde der Wahrheit; wir müssen einen europäischen Stolz wiederfinden, den Stolz des europäischen Humanismus und des Zivilisationsmodells.") .

Dass die Konferenz Rio 20 + vermutlich den gleichen Weg beschreitet, wie Klimakonferenzen zuvor, und bei für Umweltschützern unbefriedigenden Kompromissen und Absichtserklärungen stecken bleibt, nutzt Hulot, der der Konferenz aus vorweggenommener Entäuschung fernbleibt („Das In-Positur-Stellen reicht mir“), für ein paar kompromisslose Vorschläge, wie es Europa besser machen könnte – nach dem Motto "Es ist die Lage, die sich radikalisiert", weswegen mit kleiner ("kurzarmiger") Politik nichts entscheidendes zu machen ist.

So schlägt er vor, dass die Industrie in Europa mit neuen Vorgaben neu aufgestellt werden müsste („réindustrialiser l’Europe“). Als Beispiel nennt er die Autoindustrie, die in Massen Autos herstellen sollte, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingebaut haben und nicht mehr als 2 Liter Treibstoff auf hundert Kilometer verbrauchen. Interessant ist nun, dass er diesen Vorschlag, der ziemlich weit von dem abhebt, was als wirtschaftliche Vernunft bezeichnet wird, mit einer Beobachtung koppelt, die der Wirklichkeit abgeschaut ist: das Phänomen, dass viele der Ärmeren den Nutzen einer ökologisch orientierten Wirtschaft nicht spüren, wenn es um ihre Nöte geht.

"Ich verstehe den Überdruss der Franzosen, wenn es um Ökologie geht. Sie haben recht, dass man mit Diskussionen zur besseren Verwertung der Abfälle, der Krise der Ressourcen nicht beikommt."

Es gebe andere wichtigere Baustellen, so Hulot. Wenn Bewohner von modernen Sozialbauten etwa merken, dass sie trotz neuester Wärmetechnik den Winter über beim Heizen nur ein paar Euros („une dizaine d’euros“) zurückerstattet bekommen, so stelle sich für ihn die Frage, ob man damit dem gerecht werde, dass es bei den ökologischen Themen vor allem um Solidarität gehe. Sie sei Bedingung für wirkungsvolle Veränderungen.