Braunkohle-Ökostrom
Wie Stromkonzerne das französische Publikum verschaukeln und das hiesige zur Kasse bitten
Der Umweltverband Grüne Liga protestiert gegen die Vermarktung von Strom aus dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde als Ökostrom. Französischen Abnehmern werde damit ein Beitrag zur Energiewende suggeriert, wie der dortige Fernsehsender France 2 berichtet habe. Tatsächlich handele es sich vermutlich um Strom aus der Mitverbrennung von Klärschlamm.
Die Grüne Liga ist in der Endphase der DDR entstanden und ist unter anderem in Berlin und in der Lausitzer Braunkohleregion aktiv. Dort unterstützt sie seit ihren Gründungszeiten den Kampf gegen den Braunkohleabbau, der schon in der DDR nicht unumstritten war. Die örtliche Bevölkerung ist in dieser Frage tief gespalten.
Die Gewerkschaft IGBCE und der Betreiber LEAG heizen immer wieder die Stimmung mit aggressiven Stellungnahmen an, während nicht direkt von der Braunkohle abhängige mittelständische Unternehmer - wie der Land- und Energiewirt Hagen Rösch - klagen, dass sie kaum Arbeitskräfte finden und Schwierigkeiten haben, mit ihren Anliegen in der Kommunalpolitik durchzudringen, weil die ganze Regionalwirtschaft auf die Braunkohle ausgerichtet sei.
"Selbst wenn die Zertifizierung formal korrekt sein sollte, ist nicht hinnehmbar, dass den Stromkunden hier ein Beitrag zur Energiewende suggeriert wird. Das Kraftwerk Jänschwalde gehört zu den klimaschädlichsten Kraftwerken Europas. Die Mitverbrennung von Müll und Klärschlamm ist dabei nur eine wirtschaftliche Stütze der Braunkohleverstromung."
René Schuster, Braunkohle-Experte der Grünen Liga
Rund drei Prozent des in Jänschwaldes eingesetzten Brennstoffs besteht aus Müll, berichtet "Klimareporter“. Außerdem werde dort mit großer Eile der Aufbau einer Müllverbrennungsanlage vorbereitet, die bereits 2024 in Betrieb gehen solle. Dabei können es um den Versuch des Betreibers LEAG gehen, sich gegen einen vorzeitigen Kohleausstieg abzusichern.
Zwei der insgesamt sechs Blöcke des Kraftwerks sind inzwischen in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft, das heißt, sie liefern keinen Strom mehr, werden aber noch weiter betriebsbereit gehalten. Der erste – Block F – ging im September 2018 vom Netz, der zweite – Block E – zum 1. Oktober 2019. Zusammen haben sie eine Leistung von 1.000 Megawatt und liefen gut 30 Jahre.
Nach einer Aufstellung von Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme hat Block E 2017 bei einer Produktion von 3,3 Milliarden Kilowattstunden Strom 6,1 Milliarden Kilowattstunden Abwärme produziert, die aufgrund der enormen Menge vermutlich größtenteils ungenutzt an die Umwelt abgegeben wurde.
Außerdem wurden unter anderem vier Millionen Tonnen Kohlendioxid, 3.200 Tonnen Stickoxide, 2.500 Tonnen Schwefeloxide, 1.800 Tonnen Kohlenmonoxid, 90 Tonnen Feinstaub, 50 Tonnen Distickoxid, elf Tonnen Chlor, 300 Kilogramm Blei, 110 Kilogramm Quecksilber, 110 Kilogramm Kupfer, 44 Kilogramm Nickel und 35 Kilogramm Arsen emittiert.
Trick "Sicherheitsbereitschaft"
Mit gut 30 Jahren Laufzeit sind die beiden Blöcke eigentlich längst abgeschrieben und werden auch aufgrund des Überangebots an Strom als träge Grundlastkraftwerke nicht mehr gebraucht. Nach Angaben der Grünen Liga ging die brandenburgische Energieplanung noch 2001 davon aus, dass alle sechs Blöcke bis 2020 stillgelegt würden. Auch die seinerzeit erfolgte Nachrüstung sei entsprechend kalkuliert und ausgelegt gewesen.
Dennoch vergoldet die Bundesregierung über den Trick "Sicherheitsbereitschaft" – hier die gesetzliche Regelung (§13g) von 2016 – der LEAG in den nächsten vier Jahren die Stilllegung mit mehreren hundert Millionen Euro. Insgesamt wurden seit 2017 sieben Braunkohleblöcke verschiedener Betreiber in die Sicherheitsbereitschaft überführt, die letzten beiden Anfang Oktober 2019.
Weitere sind nicht nicht geplant. Voraussichtlich wird der Spaß den Verbraucher 1,6 Milliarden Euro kosten, die über die mit der Stromrechnung erhobenen Netzentgelte eingezogen werden. Von dieser sind Großabnehmer vollständig oder teilweise befreit.
Diese Sicherheitsbereitschaft ist schon deshalb überflüssig, da es genug schlecht ausgenutzte Gaskraftwerke gibt, die meist in Minutenschnelle hoch gefahren werden können. Die sieben besagten Braunkohleblöcke haben hingegen eine gesetzlich fixierte Vorlaufzeit von zehn Tagen. Doch natürlich wird das ganze mal wieder als Klimaschutz verkauft, um den selbigen dem einfältigeren Teil des Publikums madig zu machen und dieses von kritischen Nachfragen abzuhalten.