China: Der Traum von einer neuen Seidenstraße
Die Regierung in Beijing will in Asien, Ostafrika und Südosteuropa mit viel Geld Entwicklungskorridore schaffen
China hat Großes vor. Die alte Seidenstraße soll wieder belebt werden, jene Handelswege, die seit etwa dem Beginn der Zeitrechnung den Fernen Osten und zumindest zeitweise auch Südasien mit Europa verbanden. Vertreter aus 68 Ländern kamen am Wochenende am Rande Beijings (Pekings) zusammen, um über den Ausbau der Handelsrouten über den eurasischen Kontinent und entlang seiner Küsten zu beraten.
Insgesamt 29 Staats- und Regierungschefs konferierten bis Montag in der chinesischen Hauptstadt, darunter der Gastgeber Xi Jin-ping, Chinas KP-Chef und Präsident. Aus Russland war zum Beispiel dessen Präsident Vladimir Putin angereist, aus Pakistan Premierminister Nawaz Sharif, aus Kasachstan Präsident Nursultan Nazarbayev, von den Philippinen Präsident Rodrigo Duterte und aus Äthiopien Premierminister Hailemariam Desalegn. Die anderen Länder hatten meist Minister geschickt.
(Eine Ansammlung von Despoten, mag der geneigte Leser anmerken, doch derlei trifft sicherlich im gleichen Maßen auf den G-20-Gipfel zu, der demnächst von Hamburg beherbergt wird und für den die dortige sozialdemokratisch-grüne Landesregierung einen größeren Teil der Elbmetropole, insbesondere linke Szene-Viertel, in den Ausnahmezustand versetzen will.)
Im Wesentlichen geht es bei der chinesischen Initiative um ein gewaltiges Investitionsprogramm für die Verkehrsinfrastruktur. Häfen sollen ausgebaut, Eisenbahnlinien modernisiert und ergänzt sowie Flughäfen neu angelegt werden. Belt and Road wird das Projekt auf Englisch genannt und beschreibt damit die Vorstellung nicht nur zwei entfernte Endpunkte miteinander zu verbinden, sondern entlang der Routen – ganz wie zu Zeiten der alten Seidenstraße – ein Band kommerzieller und industrieller Zentren zu schaffen. Von fünf Billionen US-Dollar (4,52 Billionen Euro) Investitionsvolumen schrieb das weltweit tätige Beratungsunternehmen PwC vor einem guten Jahr in einer Analyse der chinesischen Pläne.
Zustimmung aus Afrika, Skepsis aus Europa und Indien
Skeptische Stimmen aus Europa und auch aus Indien, das sich nicht an der Initiative beteiligen mag, begegnete Chinas starker Mann Xi Jinping in seiner Eröffnungsrede mit dem für die chinesische Diplomatie klassischen Versprechen von Beziehungen zum beiderseitigen Nutzen. "Wir hoffen, eine große Familie der Ko-Existenz aufzubauen", so Xi am Sonntag. Die Belt-and-Road-Initiative werde sich nicht ausgedienter Methoden geopolitischen Manövrierens bedienen. Indien ist allerdings verstimmt, weil China mit Pakistan für rund 46 Milliarden US-Dollar (42 Milliarden Euro) Hafenanlagen sowie Pipelines und Straßen ausbaut, die die beiden Länder über die zwischen Indien und Pakistan umstrittene Region Kaschmir verbinden werden.
Xi versprach zur Eröffnung des Forums ein zusätzliches Milliardenpaket für den Fonds der Initiative sowie für Austausch- und Ausbildungsprojekte für beteiligte Länder. Unter anderem soll es Stipendien für junge Wissenschaftler geben, mit denen diese Forschungsaufenthalte in der Volksrepublik finanzieren können. Außerdem kündigte der chinesische Präsident zwei Milliarden Yuan (262 Millionen Euro) für Nahrungsmittelhilfen zur Abwehr von Hungerkatastrophen in Ländern an, die an der Initiative betroffen sind. Dafür dürften vor allem die Länder am Horn von Afrika profitieren, wo derzeit in Folge von Missernten und Dürre eine schwere Hungersnot herrscht.
Ugandas Regierung lobte die chinesische Initiative in höchsten Tönen. China sei schon jetzt der zweitgrößte Investor in Uganda und sein Engagement nehme weiter zu, berichtet die dort erscheinende Zeitung New Vision. Äthiopiens Premier Hailemariam Desalegn wird von der gleichen Zeitung ebenfalls mit viel Lob zitiert: Chinas Initiative passe perfekt zu Afrikas Vision von Industrialisierung und nachhaltiger Entwicklung. Das Projekt öffne für Entwicklungs- und Schwellenländer die Tür zur Teilnahme am globalen Wirtschaftswachstum.
In Europa ist unterdessen der Enthusiasmus weniger groß. Aus Deutschland war lediglich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries angereist, wie heute.de berichtet. Diese nutzte die Gelegenheit, sich über die Einschränkungen zu beschweren, denen deutsche Unternehmen bei ihren Aktivitäten in China unterliegen. Bisher müssten diese chinesische Partner haben, wenn sie in der Volksrepublik investieren wollen. Die Europäer – gemeint sind natürlich die deutsche Regierung und die anderen EU-Vertreter – wollten, so erfährt der Leser von heute.de, Transparenz, öffentliche Ausschreibungen und Sozial- und Umweltstandards.
Letzteres ist angesichts der Tatsache ein wenig verwunderlich, dass sich noch vor nicht all zu langer Zeit Sigmar Gabriel als deutscher Wirtschaftsminister zum Wohle der deutschen Automobilindustrie in Beijing dafür stark gemacht hat, dass die in der Volksrepublik geplanten strengen Quoten für Elektroautos möglichst spät und möglichst abgeschwächt eingeführt werden. Telepolis hatte seiner Zeit darüber berichtet.