China: Der abstürzende "Himmelspalast"

Wiedereintritt des Automated Transfer Vehicle (ATV) Jules Verne in die Ersatmosphäre am
am 29. September 2008. Bild: ESA-Video

Chinas erste Versuchsraumstation stürzt auf die Erde. ESA-Experten geben Entwarnung: Schäden und Verletzte extrem unwahrscheinlich

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Am Osterwochenende wird Chinas erste Raumstation, "Tiagong-1", der "Himmelspalast-1", auf die Erde stürzen, und zwar irgendwo zwischen dem 43. Breitgrad Nord und dem 43. Breitengrad Süd, also zwischen Norditalien und dem Meer südlich von Kapstadt, zwischen Nordchina und Tasmanien, zwischen Boston und Patagonien.

Auch am heutigen Freitag lässt sich der genaue Zeitpunkt und Absturzort noch nicht berechnen, heißt es aktuell auf dem Rocket Science Blog. Die Flugbahn der etwa zehn Meter langen Station hängt im hohen Maße von ihrer Lage ab – ob sie zum Beispiel quer zur Flugrichtung steht und damit besonders viel Luftwiderstand erfährt, oder ob aber das Gegenteil der Fall ist.

Genauso wichtig oder noch wichtiger ist die aktuelle Dichte der oberen Atmosphäre. Diese wiederum ist aber vor allem von der Tageszeit und der Sonnenaktivität abhängig, die bisher nicht vorher gesagt werden kann.

Tiangong-1. Bild: CMSE/China Manned Space Engineering Office

Verglichen mit der Internationalen Raumstation ISS ist die "Tiangong-1" ein Zwerg. Sie habe, so Holger Krag, Leiter des Büros für Weltraumtrümmer ("Space Debris Office") bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, nur fünf Prozent der Masse der großen Schwester. Erfahrungsgemäß würden etwa 20 bis 40 Prozent der ursprünglichen Masse auf die Erde niederregnen, heißt es in einem Interview mit Krag, das die Helmholtz-Gemeinschaft veröffentlicht hat.

Jedes Jahr treten 50 Objekte mit einem Gewicht über einer halben Tonne in die Erdatmosphäre ein, hatte Krag an anderer Stelle festgestellt, aber noch nie seien dabei, so weit bekannt, Menschen zu Schaden gekommen. Die Reste der Station würden sich in der Luft in Teilstücke zerlegen und auf einer Länge von bis zu 1000 Kilometern herunter fallen.

Nach Krags Schilderung werden die Trümmer so stark abgebremst, dass sie aus etwa 30 Kilometern Höhe mehr oder weniger senkrecht herab stürzen. Das sei kein Vergleich mit einem Meteoriteneinschlag, der kaum abgebremst erfolge.

China hatte die Winzstation im September 2011 in einen Orbit in 320 Kilometern Höhe geschickt, wie seinerzeit berichtet. Sie diente vor allem zu Übungszwecken und damit auf die Vorbereitung für eine richtige Station. 2012 war "Tiangong-1" zum ersten Mal bewohnt worden. Ursprünglich hatte sie nur zwei Jahre genutzt werden sollen, doch später wurde die Frist bis Ende 2015 ausgedehnt. 2016 war der Kontakt abgebrochen.

2016 war eine Nachfolgestation, die "Tiangong-2", in eine Umlaufbahn gebracht worden. Diese ist ebenfalls noch nicht als permanente Station gedacht, sondern dient weiteren Versuchen. Schon im Oktober 2016 wurde sie erstmals von zwei Taikonauten besucht, die 30 Tage auf der Station lebten. 2017 wurden drei Andocktests durchgeführt. (Hier eine ausführliche Beschreibung der "Tiangong-2".)

Der Aufbau einer permanenten, modular zusammengesetzten Station soll schließlich ab dem kommenden Jahr begonnen werden, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Die einzelnen Teile werden von der erstmals 2016 getesteten "Changzheng-5" („Langermarsch-5“) in den Orbit gebracht werden, einer der derzeit weltweit leistungsstärksten Trägerraketen. Der Betrieb der Raumstation soll 2022 beginnen.