China: Klassengesellschaft in der alten Handelsmetropole Guangzhou

Wanderarbeiter auf einer Baustelle. Bild: CC BY-2.5 cn

Guangzhou (Kanton) will jetzt auch die Kinder von Wohnungsmietern in Schulen aufnehmen, vorausgesetzt die Eltern haben die richtigen Stempel im (chinesischen) Pass oder sind privilegierte Ausländer

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Die südchinesische Provinzhauptstadt Guangzhou (Kanton) hat für eine nominell sozialistische Stadt erstaunliche Erneuerungen eingeführt, wie Asia Times Online berichtet. Demnach haben künftig auch Mieter das Recht, ihre Kinder auf die nächstgelegene Grund- oder Sekundarschule zu schicken.

Vorausgesetzt, sie haben auch das Niederlassungsrecht, das sogenannten Hukou für die entsprechende Region, oder aber sie sind Inhaber einer "talent green card", die die Stadt an eine bestimmte Gruppe von Zuwanderern vergibt. Rund 12 Prozent der etwa 1600 seit letztem Jahr verteilten "green cards" ging bisher an Ausländer, wie China Daily zu berichten weiß, und zwar handelte es sich um Personen aus Taiwan, Macao, den USA, Hongkong und Australien.

Diese werden somit den in die Küstenprovinz aus dem Inland zu ziehenden sogenannten Wanderarbeitern vorgezogen, die meist auf dem Bau oder in Fabriken arbeiten. Nach dem chinesischen System der Haushaltsregistrierung (Hukou) sind alle Bürger ihrem Geburtsort oder dem ihrer Eltern zugeordnet. Nur dort haben sie einen Anspruch auf Gesundheitsversorgung, Schulbesuch, Unterstützung im Falle von Arbeitslosigkeit und ähnliche öffentliche Dienstleistungen.

Seit Ende der 1990er Jahre wird immer wieder über die Aufhebung dieses Systems debattiert, gegen das vor allem von den Wanderarbeitern protestiert wird, aber außer einigen Lockerungen ist bisher auf zentraler Ebene nicht viel passiert. Einige wenige Metropolen wie Chongqing haben allerdings in größerem Umfang Hukous an Zuwanderer verteilt.

Erleichterungen gab es ansonsten vor allem für jene, die regelmäßige Beschäftigung, Sozialversicherung und einen lückenlosen Aufenthalt in der Stadt vorweisen können, in der sie eigentlich kein Niederlassungsrecht haben.

Wanderarbeiter benachteiligt

Eingeführt wurde diese Politik unter anderem, um die Slumbildung am Rande großer Städte zu vermeiden, was tatsächlich weitestgehend gelungen ist. Für die Familien der Wanderarbeiter bedeuten die Regeln, dass die Kinder entweder auf Privatschulen gehen müssen oder auf den Dörfern bei den Großeltern bleiben. 63 Millionen soll die Zahl der zurückgelassenen Kinder sein, schreibt die Daily Mail.

Das in Hongkong erscheinende China Labour Bulletin zitiert eine offizielle Statistik, wonach die Zahl der Wanderarbeiter in der Volksrepublik 2015 rund 277 Millionen Menschen betragen habe. Das seien 36 Prozent der Erwerbsbevölkerung gewesen.

109 der 277 Millionen seien sogenannte Kurz-Strecken-Migranten, also Menschen, die in einer Stadt in der Nähe ihres Heimatbezirks arbeiteten, dort aber, wie gesagt, kein Niederlassungsrecht genießen. Gemeint sind hier keinesfalls Pendler. Angesichts der chinesischen Geografie kann in diesem Fall eine "Kurzstrecke" 100 Kilometer oder mehr bedeuten.

Obwohl der Anteil der besser Gebildeten unter den inländischen Migranten in den letzten Jahren gestiegen ist, arbeiten sie immer noch mehrheitlich in schlecht bezahlten einfachen Tätigkeiten zu etwas mehr als die Hälfte auf dem Bau und in Fabriken.

Institutioneller Rassismus

Noch eine Stufe tiefer stehen viele Ausländer, die meist mit sehr prekärem Aufenthaltsstatus in Südchina leben. Betroffen sind vor allem Afrikaner. Guangzhou eines der Zentren der afrikanischen Einwanderung Chinas. 2012 sollen im dortigen "Little Africa" rund 100.000 Menschen aus Ländern südlich der Sahara gelebt haben, berichtet der Sender CNN. Seit dem sei aber ein Teil von ihnen wieder abgewandert, weil die Geschäfte schlechter liefen.

Andere Quellen sprechen von bis zu 200.000 Afrikanern in Guangzhou. Obwohl diese sich vor allem als Exporteure betätigen und somit viel zum Wohlstand der Stadt und Region beitragen, haben sie unter einem gerüttelten Maß an Rassismus zu leiden.

Heiraten sie eine chinesische Bürgerin – Verbindungen zwischen chinesischen Männern und Afrikanerinnen scheint es nicht zu geben –, haben sie nicht mehr Rechte als ein Tourist. Selbst wenn aus der Ehe gemeinsame Kinder hervor gehen, schreibt die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Die Regierung in Beijing (Peking) habe keine Einwanderungspolitik und von Provinz zu Provinz würden die Behörden sehr unterschiedlich mit Afrikanern umgehen. Besonders schlimm ist dabei offensichtlich ausgerechnet in Guangdong, dessen Hauptstadt Guangzhou ist.