China und Indien: "Natürliche Partner"

Washington umwirbt Indien, doch Beijing gibt sich betont gelassen. Die alten Grenzstreitigkeiten wolle man möglichst bald beilegen.

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Wie sich die Zeiten ändern: Einst war Indiens derzeitiger Ministerpräsident Narendra Modi für seine Rolle bei einem Pogrom an der muslimischen Bevölkerung im westlichen Bundesstaat Gujarat von den US-Behörden mit einem zehnjährigen Einreiseverbot belegt worden. Als Modi dort noch Chef der Regionalregierung war, ereignete sich im Mai und Juni 2002 eine Serie antiislamischer Massaker, die die britische Zeitung Guardian letztes Jahr als "sorgfältig geplant und ausgeführt" beschrieb. Rund 2000 Menschen kamen ums Leben, und den Überlebenden ist bis dato keine Gerechtigkeit widerfahren.

Und heute? Die einstige Persona non grata empfing am Sonntag den US-Präsidenten Barack Obama zu dessen dreitägigen Staatsbesuch, alässlich dessen er unter anderem am heutigen Montag als erster US-Präsident an der Parade aus Anlass des Tags der Republik teilnahm. Die kleinen Unstimmigkeiten von einst sind dabei sicherlich nicht zur Sprache gekommen. Statt dessen wurde eine Militärpartnerschaft erneuert und eine engere Zusammenarbeit auf den Gebiet erneuerbarer Energieträger vereinbart, wie die Los Angeles Times berichtet.

Die USA umwerben das einst relativ eng mit der Sowjetunion verbundene Indien seit geraumer Zeit, um es in ihr Lager zu ziehen und gegen China in Stellung zu bringen. Hilfreich sind für Washington dabei alte Streitigkeiten der beiden asiatischen Giganten, die sowohl im Westen als auch im Osten des Himalayas uneins über den Grenzverlauf sind. Ein Erbe der kolonialen Vergangenheit und einer kurzsichtigen chinesischen Militärpolitik, die die einstigen Verbündeten 1962 ihn einen kurzen aber folgenschweren Krieg trieb.

In China sieht man derweil Obamas Besuch gelassen. Bei der Nachrichtenagentur Xinhua heißt es in einem Kommentar, Indien und China hätten zwar ihre Differenzen, zugleich habe es im vergangenen Jahren aber auch die meisten gegenseitigen hochrangigen Besuche seit annähernd 60 Jahren gegeben. Die beiden Nationen seien die größten Schwellenländer und würden derart viele wechselseitige Vorteile durch ihre Zusammenarbeit genießen, dass sie zu "natürlichen Partnern" würden. Trotz der Grenzstreitigkeiten, die Beijing im übrigen möglichst bald beizulegen wünsche.

Mag sein, dass Beijing sich darin durch Obamas Besuch sogar zusätzlich bestärkt fühlt, und vielleicht ist die Zeit sogar besonders günstig. Beide Regierungen sitzen innenpolitisch fest im Sattel, und erfahrungsgemäß sind es oft mit viel aggressiver nationalistischer Rhetorik auftretende Regierung wie die Modis, die historische Kompromisse – die sie aus der Opposition heraus ggf. heftigst bekämpft hätten – innenpolitisch leichter durchsetzen können.