Der Hunger wächst
Für viele Getreidesorten sind in den vergangenen Monaten die Preise erheblich gestiegen
In den USA haben die Behörden Anfang der Woche angekündigt, dass dort die Maisernte voraussichtlich etwas unter dem Ergebnis des Vorjahres bleiben wird, das im Bericht der Nachrichtenagentur AP als Rekordniveau bezeichnet wird.
An den Getreidemärkten führte das prompt zu einem weiteren Anstieg der Preise, die seit Jahresbeginn bereits um über 50 Prozent zugelegt haben. Mais-Futures sind inzwischen nicht mehr allzu weit von jenen historischen Höchstständen entfernt, die für diverse Grundnahrungsmittel im Frühjahr und Sommer 2008 erreicht wurden, was seinerzeit in zahlreichen Ländern zu Hungeraufständen führte. Auch Weizen, Hafer und in geringerem Maße Soja haben sich in den letzten Monaten erheblich verteuert. Nur Reis scheint noch eine Ausnahme zu sein, wie Reuters unter Berufung auf das thailändische International Rice Research Institute berichtet.
Ursache für die Preisentwicklung ist offensichtlich, dass die Produktion kaum mit der (kaufkräftigen) Nachfrage Schritt halten kann. Dabei ist bei den meisten Getreidearten trotz zahlreicher Unwetter in wichtigen Anbaugebieten die weltweite Ernte nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Der Grund liegt zum einen darin, dass ein wachsender Teil vor allem des Maises zu Ethanol verarbeitet wird, und zum anderen, dass durch den Aufstieg der Schwellenländer mehr Menschen zu bescheidenem Wohlstand kommen und sich daher mehr und höherwertige Nahrungsmittel leisten können.
Auf der anderen Seite nimmt allerdings auch das Elend zu, denn die Zahl der Menschen wächst, die die steigenden Preise nicht zahlen können. Über eine Milliarden Menschen leiden inzwischen unter chronischem Hunger, wie BBC berichtet. Der Nachrichtensender beruft sich dabei unter anderem auf den sogenannten Hungerindex des International Food Policy Research Institute. Der Index erhebt Daten in 122 Ländern und basiert auf der Zahl der Unterernährten, der Zahl der mangelernährten Kinder unter fünf und der Kindersterblichkeit. In vielen Ländern sei die Situation noch immer sehr kritisch und die Menschheit noch weit vom Ziel entfernt, die Zahl der Hungernden zu halbieren, aber im Vergleich zu 1990 habe sich die Situation durchaus verbessert. Allerdings werden offensichtlich nur Erhebungen von 1990 und 2010 verglichen, so dass die Zunahme der Zahl der Hungernden in den letzten Jahren in den Daten untergeht.
Interessant ist auch, dass für den Index keine Daten in den Industriestaaten erhoben werden. Jene, die dort hungern müssen, werden also nicht berücksichtigt. Dass aber Hunger auch im reichen Deutschland keine unbekannte Größe ist, kann ein aufmerksamer Beobachter in jeder hiesigen Großstadt an den Menschen sehen, die die Mülltonnen nach Essbarem durchwühlen.
Die UN-Welternährungsorganisation FAO hat eine Online-Unterschriftenkampagne gestartet, mit der die Regierungen aufgefordert werden, endlich etwas gegen den Hunger zu unternehmen, wie es bereits vor über zehn Jahren auf dem UN-Millenniumsgipfel verabredet worden war.