Die PASOK ist verfault! Es lebe das SYRIZA-Prinzip

In Griechenland favorisieren die Parteien Neuwahlen

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Wer in dieser Woche die deutschen Medien beobachtete, konnte meinen, dass die griechischen Politiker sich vielleicht auf eine Koalitionsregierung einigen könnten. Am Ende mussten alle mitteilen, dass die Verhandlungen gescheitert seien.

Die Realität hinter den wahlkampforientierten Sprüchen der angeblich nach Koalitionen suchenden Parteichefs sieht anders aus, als wir es in Deutschland aufnehmen: Bereits seit Mitte der Woche stand fest, dass Fotis Kouvelis mit seiner Demokratischen Linken (DIMAR) nur mitmachen würde, wenn Alexis Tsipras (SYRIZA) auch dabei ist.

Dies hat Kouvelis am Freitag erneut ausdrücklich betont. "Kategorisch sage ich, dass ohne SYRIZA keine Regierung möglich ist", sprach Kouvelis, "meine Worte von gestern wurden von bestimmten Leuten gezielt verdreht." Jede andere Entscheidung hätte die DIMAR in der Wählergunst ins Bodenlose absinken lassen. Das war in Griechenland selbst den optimistischsten Beobachtern klar.

Ein Fünkchen Hoffnung bestand lediglich deshalb, weil Kouvelis enge freundschaftliche Verbindungen zum Ex-PASOK-Chef Papandreou nachgesagt wurden. SYRIZA-Chef Tsipras blieb zudem standfest bei seinen Maximalforderungen. Sein fast neunzigjähriger, aber agiler Seniorpartner Manolis Glezos wurde nicht müde, von Talkshow zu Talkshow zu eile, um zu poltern: "Wer mit PASOK oder Nea Dimokratia zusammenarbeitet ist ein neuer Efialtes!"

Auch die SYRIZA setzt wie alle Parteien wieder auf einige nationale oder an die glorreiche Antike erinnernden Töne, denn die nationalsozialistische Chryssi Avgi möchte jeder so schnell wie möglich aus dem Parlament haben. Es gibt eine rege Diskussion um ein eventuelles Verbot. Letzteres wird vor allem vom Bürgermeister Thessalonikis, Ioannis Boutaris, propagiert.

Sowohl Panos Kammenos (Unabhängige Griechen), Zitat: "Nur über meine Leiche", als auch Aleka Papariga (KKE) lehnten jedwede Gespräche, auch die Allparteiengespräche, kategorisch ab. Der Einladung des Staatspräsidenten zu einer letzten Sondierung wollen beide nicht Folge leisten.

Realistisch gab es spätestens seit Mittwoch keine Option mehr für eine Regierung. Es ging für alle Beteiligten nur noch darum, so weit wie möglich das Gesicht zu wahren. Der Makel des Verursachers von sofortigen Neuwahlen ist hinderlich, wenn man den Wählern erzählen möchte, dass gerade die eigene Partei Verantwortung tragen könnte, die anderen jedoch nicht.

Logik der griechischen Politik

Kommt es zu Neuwahlen, dann gibt dies den am Memorandum beteiligten Politikern und Ministern eine Generalamnestie. Sämtliche Verfehlungen der vergangenen Legislaturperiode wären dann nämlich gemäß dem Gesetz zur Verantwortbarkeit von Ministern verjährt. Es müsste nur dazu kommen, dass bis zur geplanten Vereidigung der frisch gewählten Abgeordneten noch keine provisorische Regierung vom Staatspräsident eingesetzt wird. Die Frist hierzu läuft am 17. Mai ab.

Noch passender für politische Ränkespiele ist, dass wegen der Fristenregelung des Wahlrechts die sofortigen Neuwahlen mit Listen und nicht mit einer Direktankreuzung von Kandidaten stattfinden werden. Das wiederum bedeutet, dass die einzelnen Parteichefs ihre Gefolgsleute gezielt auf die Liste hieven können. So würde sich zu Beispiel Samaras gegen das wachsende Misstrauen seiner Fraktion wegen der verlorenen Wahl absichern. "Das Wahlergebnis ist schlecht, wir werden, sobald wir eine Regierung haben, darüber sprechen", meinte am Freitag Samaras als Reaktion auf die parteiintern brodelnde Revolte, mit der seine Ablösung gefordert wird. So lange in wenigen Wochen ein Wahlkampf ansteht, wird sich keiner trauen, am Stuhl des Chefs noch stärker zu sägen. Nach einer Kandidatenauswahl des Chefs jedoch wird in der Fraktion niemand mehr sein, der den Führungsanspruch Samaras anzweifelt.

Für Venizelos gilt mit Abstrichen das Gleiche. "Nach mir wird der nächste PASOK-Chef ein dreißigjähriger Bub sein, die PASOK ist verfault", sprach Venizelos. "Denn manche langjährige Minister der PASOK haben keinerlei Ideologie und leiden an Ministeritis." Um seinen Machtanspruch zu untermauern, löste der wuchtige Ex-Finanzminister heute sämtliche Parteiorgane der PASOK zwecks Neustrukturierung auf. Selbst das erst vor wenigen Jahren bezogene Parteischloss in der Athener Hypokrates-Straße soll geräumt werden. Zurück zum parteieigenen Haus in der Charilaou Trikoupi-Strasse heißt die Devise. Diesen Schritt verkündete Venizelos schon vor der offiziellen Bekanntgabe des Scheiterns. Denn selbst wenn es doch noch zur Regierung gekommen wäre, dann wollte die PASOK auf Befehl Venizelos keine Minister liefern.

Das ist leider die Logik der griechischen Politik. Als Trost möchte man fast bemerken, dass eben dieses Handeln, dem die Bürger fassungslos zuschauen, das Finanzdesaster vollkommen erklärt. Seit Jahrhunderten ist dies Spielchen als byzantinische Ränkespiele bekannt. Dummerweise hat es die Politik bei all ihren Spielen vollkommen versäumt, die Griechen auf eine mögliche Rückkehr der Drachme, die seitens der entnervten Europartner diskutiert wird, vorzubereiten. Ein absolutes Chaos wird die Folge sein. Hiesige Kommentatoren, wie Katerina Akrivopoulou, sehen die Gedanken der Europäer als schlichten Bluff. Außerdem gäbe es schließlich Verträge. Andere Kommentatoren vermuten im jungen Tsipras eine Wiederholung des Phänomens Andreas Papandreou. Der PASOK-Gründer hatte seit 1981 bis zu seinem Tod mit der EG und später der EU Katz und Maus gespielt.

Nutznießer einer Griechenlandpleite samt Drachme wären übrigens ausgerechnet diejenigen, die ihr Geld wohlweislich in der Schweiz und anderen Steuerparadiesen gebunkert haben.