Die Welt zu Gast in Kopenhagen

Während in Kopenhagen derzeit ein Staatschef nach dem anderen spricht, wird im Hintergrund ohne Unterlass verhandelt. Die Konferenz bekam gestern auch einen neuen Präsidenten: den dänischen Ministerpräsident Rasmussen

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In den nächsten Tagen werden die Delegierten der Klimakonferenz wohl kaum mehr ein Auge zutun. Auch der Bundesumweltminister richtet sich nun darauf ein durchzuverhandeln. In der Nacht zu Mittwoch war eine Arbeitsgruppe aus 25 Staaten gebildet worden, die eine Endfassung aller auf dem Tisch liegenden Papiere erstellen soll. Deutschland ist eines der Mitglieder dieser Spezial-Gruppe namens "friends of the chair", an der nun das Schicksal der Klimakonferenz hängt. Neben Großbritannien, Schweden, Polen, Spanien komplettiert Frankreich den aus sechs Ländern bestehenden EU-Block der "Freunde des Vorsitzenden". Auch die USA ist Freund, Russland natürlich - und selbstverständlich ein großer Block aus den Schwellen- und Entwicklungsländern. Ob diese Gruppe nun das entscheidende Dokument zustande bekommt, ist jedoch noch fraglich.

Über 120 Staats- und Regierungschefs haben sich Mittwoch und Donnerstag angesagt und sie alle halten eine Rede. Von Evo Morales über Gadaffi, von Mohamed Nasheed bis Mahmud Ahmadinedschad. Jeder Präsident darf nach den Regeln des UN-Klimasekretariates drei Minuten reden. Aufsehen erregte heute der venezolanischer Präsident Hugo Chávez, der in seinem Statement "Nieder mit der imperialistischen Diktatur" in den Saal brüllte.

Verhandlungsvorsitz jetzt bei Rasmussen

Die Konferenz leitet ab sofort ein Staatschef, nicht mehr Connie Hedegaard: Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen hat den Vorsitz von ihr übernommen. "Das läuft planmäßig so", erläutert UN-Sprecher John Hay. Wenn aus dem Minister-Segment ein Staatsschefs-Segment werde, müsse die Konferenzleitung auch in der Hand eines Staatschefs liegen. "Hedegaard hilft Rassmussen weiter als 'Spezial-Repräsentantin'", so Hay. Das betonte auch Yvo de Boer, Vorsitzender des UN-Klimasekretariats, am Mittwochabend.

Die ruhige Phase der Verhandlungen sei mit dem heutigen Tag vorbei, erklärte Umweltminister Röttgen. Bis Samstagfrüh, wenn die Verhandlungen offiziell abgeschlossen sein sollen, richtet sich der Minister darauf ein, kein Auge mehr zu schließen. "Die nächsten Nächte werde ich wohl durchmachen müssen", so Röttgen am Mittwochvormittag. Der frisch gebackene Minister wurde in Kopenhagen gleich ins kalte Wasser geworfen, denn einen Tag nach seiner Ankunft in Kopenhagen, wurde Röttgen zum Verhandlungsführer für die Kyoto-Untergruppe, die für die Minderungsziele verantwortlich ist, erklärt. Die Beratungen der Arbeitsgruppen seien nun im Großen und Ganzen abgeschlossen. "Nun beginnt der politische Entscheidungsprozess der Klimakonferenz", erklärte Röttgen. In der Arbeitsgruppe der COP-Gruppe, die ein Papier unter der Klimarahmenkonvention und nicht unter dem Kyoto-Protokoll entwirft, soll es jedoch noch Probleme geben, vor allem mit den USA, heißt es aus Verhandlungskreisen. De Boer wollte das allerdings nicht bestätigen: Es gebe niemanden, der Schwierigkeiten macht.

Durchmachen in Kopenhagen

Für hohen Druck und ein anstrengendes "Nervenspiel" sorgten die Entwicklungsländer unter der Führung der G77- Gruppe, meint dagegen Röttgen. Diese seien sich untereinander nicht einig. So würden sich die großen Schwellenländer unter dem "komfortablen Dach der Entwicklungsländer" verkriechen. Doch zwischen China und den kleinen Inselstaaten gebe es entscheidende Unterschiede: Die einen seien vom Untergang bedroht und die anderen würden immer mehr Emissionen ausstoßen.

China weist diesen Vorwurf, der von vielen Entwicklungsländern erhoben wird, immer wieder zurück. Das Land sieht sich als Entwicklungsland und beruft sich auf die im Kyoto-Protokoll festgeschriebene historische Schuld der Industrieländer. Auch G77-Sprecher Di-Aping hatte mehr als einmal erklärt, dass es für Schwellen- wie Entwicklungsländer ein Recht auf Wachstum gebe.

Der deutsche Umweltminister erklärte am Mittwoch, dass die USA an weitergehenden Vorschlägen arbeiten würden. Genaueres wollte Röttgen allerdings nicht verraten. Bereitschaft für ein Zugehen auf die Entwicklungsländer signalisiere auch die Europäische Union bei den langfristigen Finanzhilfen für arme, vom Klimawandel betroffene Länder. Doch auch hier bleiben die Ankündigungen zwei Tage vor dem Showdown noch sehr blumig. "Wir werden nicht alles vorher auf den Tisch packen und dann sagen: Wir sind die Guten, und was habt ihr so zu bieten", bügelte Röttgen heute ab.

Angesichts der unterschiedlichen Wege zu einem Abkommen, zeigte der Umweltminister keine besonderen Präferenzen: Die technische Form der neuen Verträge oder des neuen Vertrages, seien ihm gleich. Es gehe einzig darum, dass verbindliche Ziele und Zusagen gemacht würden: "Inhalt geht vor Rechtsform", so der Minister. Das sehen die G77-Länder aber anders: Sie bestehen auf dem Kyoto-Vertrag, der verbindliche Ziele für Industrieländer und ihre historische Schuld festschreibt. Derzeit sind zwei Versionen in der Diskussion: Ein Postkyoto-Vertrag ergänzt durch ein neues Abkommen unter der Klimarahmen-Konvention.

Am Rande des Gipefels kam es zu zahlreichen Protesten. Auch im Bella Center demonstrierten immer wieder NGO-Aktivisten. Zwei von ihnen schafften es sogar kurz, das Podium zu stürmen. De Boer erklärte gestern, er würde sich in einem echten Dilemma befinden: Einerseits wolle er die Verhandlungen so transparent wie möglich machen und andererseits müsse er für die Sicherheit der Teilnehmer, vor allem der Staatschefs sorgen. Dementsprechend wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft und viele NGO-Mitglieder nicht mehr ins Bella Center gelassen, obwohl sie eine Akkreditierung haben.