Frankreich droht doppelte Abstufung
Deutschland wird von Standard & Poor's direkt angesprochen, die Zentralbank eifriger Geld drucken zu lassen
Der Nikolaus kam heute mit der dicken Rute aus Washington. Es war ein neuer dreister Vorstoß der Ratingagentur Standard & Poor‘s (S&P), um die politischen Entscheidungen in ihrer Richtung mit der Drohung massiver Abstufungen zu beeinflussen. Praktisch der gesamten Euro-Zone droht S&P mit neuen absurden Abstufungen. Vor allem nimmt S&P die Länder aufs Korn, die noch die Bestnote "AAA" haben. Damit wird sogar die Möglichkeit von "Elite-Bonds" untergraben .
Frankreichs Bonität könnte sogar um zwei Stufen herabgestuft werden. Ohnehin hatte die Agentur schon länger damit gedroht, um den Druck auf die Euro-Zone zu erhöhen. Schon im August waren gezielt Gerüchte gestreut worden, dass auch Frankreich die Bestnote aberkannt werden könnte. Erst kürzlich hatte S&P sie dem Land "versehentlich" schon aberkannt. Angeblich habe ein Computersystem Daten falsch interpretiert und daraufhin automatisch Emails mit der Meldung verschickt, wurde als merkwürdige Begründung geliefert. Vielleicht hätte man sich einst in Paris zurückhalten sollen, als erstes EU-Land den Dollar als Leitwährung in Frage zu stellen.
Nun beschwert sich die Agentur vordergründig darüber, dass Europa in die Rezession zurückfallen könnte. Doch genau das hat mit dem Sparkurs zu tun, auf den Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien… durch Abstufungen erst gezwungen wurden. Vor allem Portugal wurde regelrecht abgeschossen, indem man es frühzeitig in einem Atemzug mit Griechenland genannt hat. Inzwischen wurde das Land schon auf Ramsch-Niveau abgestuft, obwohl es bei der Verschuldung hinter Irland und direkt vor Deutschland und Frankreich steht.
Dabei hat Portugal genau das gemacht, was von ihm verlangt wurde. Die Sozialisten sind vor den Ratingagenturen eingeknickt und haben ihren zunächst ausgeglichenen Konsolidierungskurs aufgegeben, der dem Land noch ein Wachstum gesichert hatte. Als der Sparkurs mit massiven Steueranhebungen und Lohnkürzungen vor allem die breite Bevölkerung traf, fiel das Land in die Rezession zurück. Letztlich wurden die Sozialisten abgewählt, weil die Konservativen den Sparkurs nicht mehr mittragen wollten. Doch nach den Wahlen haben die den Sparkurs aber noch deutlich verstärkt und versenken das Land wie Griechenland nun in der Rezession. Portugal wird deshalb wie die Hellenen eine Nothilfe 2.0 und dann wohl auch einen Schuldenschnitt benötigen.
Europa wird das Opfer seiner unsäglichen Politik, schließlich wurden die Forderungen der Ratingagenturen stets aus Brüssel sekundiert, angetrieben aus Berlin. Es ist fast schon peinlich, wenn der Luxemburger Jean-Claude Juncker, der Chef der Euro-Gruppe, nun jammert, die angedrohten Abstufungen seien "maßlos überzogen und auch ungerecht". Nein, ausnahmsweise liegen S&P nun sogar richtig und Juncker dürfte das wissen, denn er hat lange Zeit versucht, der Merkel-Politik etwas entgegen zu setzen. () Den Agenturen ist das ohnehin egal, weil sie doch nur Vorwände suchen, um ihre Interessen und die ihrer Klienten durchzusetzen.
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz haben schon im Frühjahr 2010 mit drastischen Worten deutlich gemacht, dass sie die Merkel-Politik für eine "sehr große Dummheit" halten. Die Staatsausgaben dürften nicht heruntergefahren werden, weil die wirtschaftliche Lage noch zu labil sei, womit die Gesamtnachfrage gesenkt und die Erholung belastet werde. "Es ist unglaublich, dass das passiert, obwohl die Arbeitslosigkeit in den Euroländern weiter zunimmt", hatte Krugman im Juni 2010 erklärt. Es soll also keiner sagen, er habe davon nichts gewusst. In Berlin hat es nicht einmal zu einem Denkanstoß gereicht, dass das XL-Wachstum erwartungsgemäß wieder in die Stagnation mündete. Wie sollte das auch anders sein, wenn die wesentlichen Handelspartner zum Sparen gezwungen werden und man selbst Exportnation ist.
Kaum noch zu übertreffen will Merkel nun mit Änderungen der EU-Verträge sogar dafür sorgen, dass alle EU-Länder die absurde Schuldenbremse in ihre Verfassung schreiben. Dabei geht es nur darum, einen Flicken auf den Flicken zu setzen und kurzfristig wieder einmal etwas Entspannung an der Zinsfront für Staatsanleihen zu erhalten, indem man sogar die im dauerhaften Rettungsmechanismus schwammig vorgesehene private Gläubigerbeteiligung an Staatspleiten weiter abschwächt.
Angriff auf den Euro
Merkel und ihre liberalen Partner haben offenbar immer noch nicht verstanden, dass ein Angriff auf den Euro stattfindet. Mit einer kurzzeitigen Entlastung wird nur erneut Anlauf genommen, um erneut noch stärker anzugreifen. Die bisher nie gekannte Drohung von S&P ist der Beweis dafür. Dass man in Italien mit Mario Monti auch noch den Bock zum Gärtner gemacht hat und ausgerechnet den Mann der US-Investmentbank Goldman Sachs zum Chef der "Technokraten-Regierung " krönte, ist Realsatire.
Man fragt sich, welche Lehren in Brüssel und in ganz Europa aus den Vorgängen gezogen werden. Richtig ist aber, wenn Juncker auf eine einfache Wahrheit hinweist. "Die Ratingagenturen haben in den Vereinigten Staaten 2007/2008 die Subprime-Krise überhaupt nicht kommen sehen. Im Gegenteil: sie haben diesen Finanzprodukten die höchste Bonität zuerkannt." Juncker meint, man solle die Urteile der Ratingagenturen hinterfragen. Doch warum wurden in vier Jahren die Agenturen nicht entmachtet? In Europa hat man ihnen noch immer nicht einmal eine europäische Agentur entgegengestellt, dabei soll Konkurrenz doch beleben. Man will in Berlin, Paris und Brüssel wohl nicht erkennen, dass die Agenturen vor vier Jahren nicht versagt haben, sondern dass ihr Geschäftsmodell offengelegt wurde.
S&P macht sehr deutlich, worum es ihr eigentlich geht, vordergründige Vorgänge einmal ausgeklammert. Da noch immer unklar ist, welche Rolle die Europäische Zentralbank (EZB) beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag haben soll, rückt die Agentur Deutschland in den Mittelpunkt. Die Washingtoner wollen das Vorgehen der EZB bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise bewerten und in ihre Bewertungen einfließen lassen. "Sollten wir zu dem Schluss kommen, dass die Haltung der EZB wahrscheinlich nicht effektiv dazu beitragen wird, die wirtschaftlichen und finanziellen Schockwellen zu lindern, die Deutschland unserer Ansicht nach erschüttern könnten, dann könnten wir diesen (geldpolitischen) Wert innerhalb des gesamten Ratings senken", wird S&P staatsschuldenkrise-s-p-droht-deutschland-und-dem-rest-der-euro-zone/60138705.html?page=2: zitiert. Es ist klar, dass Deutschland sturmreif geschossen werden soll, endlich die Schleusen zu öffnen, damit die lockere und inflationäre Geldpolitik nach dem Vorbild der US-Notenbank umgesetzt wird. Aus guten Erfahrungen sind die Widerstände in Deutschland noch am größten.