"From Dachau with love"
US-Gouverneur Edmund Brown bereist die Bundesrepublik - während in dem von ihm regierten US-Bundesstaat Kalifornien die größte Knastrevolte aller Zeiten stattfindet
Der kalifornische Gouverneur Edmund Brown wandelt dieser Tage auf den Spuren seines Ur-Großvaters, der 1848 aus Deutschland in die USA emigrierte. Seine 9-tägige Reise wird ihn auch nach Dachau führen, dem KZ, in dem die Nazis ab 1933 Oppositionelle einkerkerten. Dieses Geschichtsbewusstsein wirkt etwas bizarr angesichts der Tatsache, dass in Kalifornien gegenwärtig ca. 30.000 Gefangene die Nahrungsaufnahme und z.T. auch die Zwangsarbeit verweigern. Aufgrund von Haftbedingungen, aufgrund derer Gefangene dort schon 1970 an die Zustände in Dachau erinnerten, um auf das Elend aufmerksam zu machen. Seither haben sich die Zustände noch drastisch verschlechtert und dafür trägt auch Gouverneur Brown die politische Verantwortung.
Dachau war eines der ersten KZs, das die Nazis einrichten. Seit dem 22. März 1933 diente es zunächst als Zuchthaus für Oppositionelle, also politische Gefangene. Später, vor allem nach der Pogromnacht am 9. November 1938, wurden auch Juden dort interniert. Es ist das einzige KZ, das in den zwölf Jahren NS-Herrschaft durchgehend bestand. Es diente u. a. als Ausbildungsort für SS-Wachmannschaften, die später in Vernichtungslagern eingesetzt wurden. Das Lager Dachau selbst war kein Vernichtungslager, jedoch geschahen in keinem anderen KZ so viele politische Morde.
Grundlage dafür bildete die juristische Sonderstellung des Lagers: Dachau war der erste Ort im "Deutschen Reich", an dem einem SS-Lagerkommandanten die alleinige Gerichtsbarkeit zugeteilt und geltendes Recht erfolgreich außer Kraft gesetzt wurde. Von den insgesamt mindestens 200.000 Haftinsassen //de.wikipedia.org/wiki/KZ_Dachau: kamen etwa 41.500 zu Tode.
Das unterdessen weltbekannte Elend der politischen Gefangenen in Dachau vor Augen unterzeichnete der damalige in St. Quentin (Kalifornien) inhaftierte Black-Panther-Aktivist George Jackson 1970 seine Briefe mit "from Dachau with love" (aus Dachau, in Liebe). Mit diesem provokanten Gruß wollte er auf die unmenschlichen Haftbedingungen aufmerksam machen. St. Quentin galt und gilt als eines der zehn härtesten Gefängnisse der Welt.
Fast ein halbes Jahrhundert später findet in den USA eine nie da gewesene Welle von Massen-Verhaftungen statt. Wer nicht spurt, kommt in Einzelhaft: Mehr als 80.000 Gefangene in den USA sehen sich derzeit lang anhaltender Isolationshaft ausgesetzt, die nach der UN-Menschenrechtscharta den Tatbestand der Folter erfüllt.
Untragbare Haftbedingungen in den Gefängnissen der USA
Laut New York Times ordnete ein Bundesgericht bereits 2011 an, die Zahl der Gefangenen insgesamt um 10.000 zu reduzieren. Knapp 2.600 weitere Gefangene sollten richterlichen Anordnungen zufolge verlegt werden, um in den völlig überfüllten Knästen Todesfälle zu vermeiden. Doch beides ist bis jetzt offensichtlich nicht geschehen. Gerichte stellten fest, dass die Inhaftierten keine adäquate medizinische Versorgung erhalten. Außerdem liegt Abgeordneten in dem US-Bundesstaat ein Bericht vor, demzufolge in den vergangenen zehn Jahren 150 weibliche Gefangene zur Sterilisation gezwungen wurden. Die Politiker fordern eine Untersuchungskommission.
Die geschilderte dramatische Lage veranlasst derzeit ca. 30.000 Gefangene in kalifornischen Haftanstalten, die Nahrungsaufnahme und teilweise auch die Zwangsarbeit zu verweigern. In Kalifornien findet somit derzeit die größte Knastrevolte aller Zeiten statt. Die politische Verantwortung für die Ursachen dafür trägt Gouverneur Edmund Brown.
Das bundesweite Netzwerk gegen die Todesstrafe fordert diesen auf, sich seiner Verantwortung zu stellen, und für bessere Haftbedingungen zu sorgen. "Die unmenschlichen Haftbedingungen in Dachau wurden seinerzeit von der US-Armee auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt. Dasselbe sollte nun mit den untragbaren Haftbedingungen in den Gefängnissen der USA – vor allem in denen im von Ihnen regierten Bundesstaat Kalifornien – geschehen. Handeln Sie! Machen Sie diesen Haftbedingungen ein Ende", heißt es in einer Pressemitteilung.
Wo der Gouverneur schon mal da ist, nutzt er die Gelegenheit, um mit Harald Leibrecht Kontakt aufzunehmen. Der in Chicago geborene Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion ist zudem der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung. US-Medien zufolge will Brown sich auf seiner Reise über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit in Bezug auf erneuerbare Energien zwischen deutschen Firmen und dem Bundesstaat Kalifornien informieren.
Angesichts lukrativer Verträge für bundesrepublikanische Wirtschaftsunternehmen dürften die Haftbedingungen in Kalifornien wohl keine Rolle spielen in den Gesprächen zwischen Brown und Leibrecht.