Greenpeace fordert Veröffentlichung des überfälligen Energieberichts

Weil das Wirtschaftsministerium den Bericht zur Energiesicherheit, der möglicherweise die Atomenergie als überflüssig einschätzt, unter Verschluss hält, zieht Greenpeace vor Gericht

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Die Energiekonzerne sind mit ein paar Helfern angetreten und scheinen es wieder einmal geschafft zu haben, die windelweiche Bundeskanzlerin mit ihrer irrlichternden schwarz-gelben Mannschaft zurechtzuweisen. Ein Energiekonzept hatte man nicht, betrachtete gleichwohl die Atomenergie als alternativenlose Brückentechnologie, weswegen die Laufzeiten der Kraftwerke verlängert werden müssten – je nach Nähe zur Atomlobby, desto länger. Und weil dann die Gewinne bei den Energiekonzernen sprudeln, für die Atomenergie so billig ist, weil sie mit Zigmilliarden Steuergeldern finanziert wurden und die Endlagerung keine große Rolle spielt - Greenpeace geht in einem Bericht von 165 Milliarden Euro an staatlichen Subventionen seit 1950 und von künftigen Ausgaben von 92,5 Milliarden aus -, dachte man sich, dass man für das eilfertige Geschenk doch auch ein wenig für das Haushaltsdefizit von den Konzernen mit deren Verständnis abzweigen könnte.

Doch die haben dem Deal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nun muss die Regierung mitsamt Kanzlerin zusehen, wie sie aus dem Schlamassel wieder mit einigermaßen erhobenen Hauptes herauskommt, ohne ganz als willfähriger Büttel dazustehen, wie es derzeit aussieht. Noch weiß die Regierung – und Merkel allen voran – nicht, wie lange die Atomkraftwerke denn unter welchen Bedingungen laufen sollen, ob es eine Steuer gibt und/oder eine Abgabe und was mit dem Geld finanziert werden soll, also der Haushalt oder Erneuerbare Energien.

Seltsam ruhig verhält sich derzeit FDP-Wirtschaftsminister Brüderle, wie die SZ beobachtet, der mit dem gegen längere Laufzeiten eingetauschten Geld von den Atomkonzernen immerhin den Ausbau der Erneuerbaren Energien fördern wolle, schließlich wird die Atomenergie ja auch als Brückentechnologie verkauft. Dafür forderte er aber auch eine Laufzeitverlängerung von mindestens 15 Jahren.

Oder ist ein Grund für das Schweigen, dass Brüderle, wie Greenpeace meint, ein schon am 31. Juli fällig gewesenes Gutachten unter Verschluss hält, um die Atomenergie weiterhin als notwendig ausgeben zu können. Mag sein, dass dann das Donnerwetter der mächtigen Chefs der Energiekonzerne noch lauter ausfiele, wenn die Vermutungen der Umweltorganisation zutreffen. Sie geht davon aus, dass nach dem Bericht über die Energiesicherheit, "die zukünftige Stromversorgung Deutschlands auch ohne Laufzeitverlängerungen bei Atomkraftwerken gesichert" sei.

Greenpeace geht gegen Brüderle vor und hat eine Klage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht, um das Ministerium zu zwingen, den Bericht über die Energiesicherheit vorzulegen, wozu sie nach § 51 des Energiewirtschaftsgesetzes alle zwei Jahre verpflichtet ist. Beim letzten Bericht 2008 hatte der damalige Wirtschaftsminister Glos vor einem vorzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie gewarnt. Der Bericht kam zu diesem Schluss: "Zusammenfassend lässt sich sagen, dass angesichts der derzeitigen Kraftwerksneubauplanungen im Hinblick auf eine angemessene Versorgungssicherheit das Vorhandensein ausreichender Erzeugungsleistung keinen kritischen Engpass darzustellen scheint." Tobias Münchmeyer, Energieexperte bei Greenpeace, interpretiert dies so, "dass die Versorgungssicherheit auch bei einem Atomausstieg bis 2020 gewährleistet ist".

Weil jetzt der Anteil der Erneuerbaren Energien im Jahr 2020 auf 15 Prozent höher als 2008 geschätzt wurde, nämlich auf 38,6 Prozent, geht Münchmeyer davon aus, dass "der überfällige Bericht von 2010 diese Aussage (der gewährleisteten Versorgungssicherheit ohne Atomenergie) noch deutlicher unterstreichen" werde.

Dem Spiegel gegenüber hat ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums eingeräumt, dass der Monitoring-Bericht zur Energiesicherheit tatsächlich aussteht. Es sei bei der Erstellung der Szenarien zu einer "Verzögerung der externen Begutachtung" gekommen. Und vielleicht eben auch zu einer Verzögerung, weil das Ergebnis politisch gerade nicht passt.