Griechische Faschisten mit Polizisten im "Bürgerkrieg" gegen Migranten
Menschenrechtsgruppen kritisieren rassistische Polizeigewalt. Die EU schweigt und wird so zum Komplizen landesweiter Razzien gegen vermeintliche Ausländer
Die Europäische Union will von Griechenland weitere Anstrengungen zur Abwehr unerwünschter Migranten. Deutschland und Frankreich wollen verhindern, dass über Griechenland in die EU eingereiste Flüchtlinge in den beiden Ländern ankommen. Denn Rückschiebungen nach Griechenland sind derzeit wegen menschenrechtlicher Bedenken nicht möglich. Auf der gestrigen Sitzung von Innenministern der EU-Mitgliedstaaten in Luxemburg steht das Thema deshalb wieder auf der Tagesordnung. Amnesty International gibt gleichzeitig einen neuen Bericht zu rassistischer Gewalt heraus.
Die Regierung in Athen hatte schon 2010 einen Nationalen Aktionsplan zur Asylreform und zur Migrationsbewältigung aufgestellt, der bei jedem Treffen der EU-Innenminister beraten wird.
Zwar attestiert die EU-Kommission ebenso wie die EU-Grenzschutzagentur Frontex Anstrengungen zur Migrationsabwehr. Vor allem die "Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger" wird gelobt. Griechenland richtet hierfür "Kontrollzentren" für die Aufnahme, Identifizierung und Kontrolle von Drittstaatsangehörigen ein. Zum Aktionsplan gehören auch "politische Maßnahmen für die (Zwangs-/freiwillige) Rückführung".
Dennoch sehen die Minister weiteren "Reformbedarf" bei der Wirksamkeit von Grenzkontrollen und der Abschiebung von Migranten. Hierfür hatte Griechenland von 2007 bis 2011 bereits 171 Millionen Euro Unterstützung von der EU erhalten ( Abschiebelager in Griechenland von EU finanziert).
Die Unterbringung in Lagern wird von Bürgerrechtsaktivisten als menschenunwürdig kritisiert. Ähnlich äußerte sich die EU-Innenkommissarin vor zwei Wochen: Nach Besuchen mehrerer Haftanstalten hatte Cecilia Malmström die vorgefundenen Zustände angeprangert und Verbesserungen gefordert.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof konstatierte letztes Jahr ebenfalls schwere Mängel im griechischen Asylsystem. Abschiebungen nach Griechenland nach dem "Dublin II"-Abkommen sind deshalb immer noch ausgesetzt. Doch das soll sich ändern: Letzte Woche signalisierte Malmström weitere finanzielle Mittel über das neue Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO). Das EASO hatte erst dieses Jahr ein festes Büro in Malta bezogen.
Landesweite Razzien nach Frontex-Bericht
Die EU-Grenschutzagentur Frontex stellte in der ersten Augustwoche über 2.000 Migranten fest, die ohne Papiere über die Türkei eingereist waren. Wohl deshalb, aber auch wegen der bevorstehenden Wahlen, hatte die Regierung massive Razzien im Inland angeordnet. Eine Anfang August begonnene "Operation Xenios Zeus" ist bis zum Jahresende verlängert worden. Allein in der ersten Woche wurden allein 1.500 unerwünschte Ausländer inhaftiert.
Um die inzwischen mehrere Tausend gefangenen Migranten unterbringen zu können, kündigte die Regierung noch vor der Wahl den Neubau von 30 Abschiebegefängnissen an. Hierfür nutzt Griechenland Gelder aus dem Außengrenz-Fonds und dem Rückkehr-Fonds der EU.
Auch an den Außengrenzen wird aufgerüstet: Mit der Einrichtung eines nationalen Koordinationszentrums der griechischen Küstenwache sollen Migranten frühzeitig aufgespürt werden. Seit Anfang August wurden weitere 1.800 Polizeibeamte an der Grenze zur Türkei stationiert.
Frontex koordiniert seit 2008 die auf unbestimmte Zeit verlängerte Operation "Poseidon Sea", die mittlerweile auf die Landgrenze zur Türkei ausgeweitet wurde. Fast alle Mitgliedstaaten nehmen daran teil. Die EU-Innenminister fordern, dass die Operation eine "benötigte operative Stärke" erhalten müsse. Deutsche Polizisten assistieren mit Wärmebildkameras und Nachtsichttechnologie, griechische Grenzschützer werden durch Ausbildungsinhalte und Studienbesuche unterstützt. Deutschland hat sein Kontingent von Bundespolizisten nun um weitere zehn Beamte erhöht.
Das Hauptquartier von Frontex in Warschau zeigt sich in einem jüngst vorgelegten Bericht erfreut: Mehr Grenzschützer und verbesserte Überwachungskapazitäten hätten zu einem drastischen Rückgang der Migration an der griechisch-türkischen Grenze geführt.
Frontex gibt allerdings zu, dass stattdessen andere Routen gewählt würden. Migrationsbewegungen würden demnach vermehrt auf griechischen Inseln festgestellt. Hauptsächlich weichen Migranten anscheinend auf die Grenzen zu Bulgarien aus. Auch deshalb steht die eigentlich längst geplante Aufnahme Bulgariens in das Schengen-Reglement immer noch zur Disposition und ist erneut auf das Frühjahr 2013 verschoben worden.
Griechenland möge den "Haushalt ordentlich führen"
Deutlich wird, wie in Griechenland die Neubestimmung der EU-Migrationspolitik definiert wird. Die Regierung errichtet an der Grenze zur Türkei einen 12 Kilometer langen Zaun, der die Weiterreise nach dem Durchqueren des Grenzflusses Evros behindern soll. Der Grenzwall wird ergänzt durch einen 120 Kilometer langen und 30 Meter breiten Graben, den das Militär entlang der Landgrenze aushebt ( Panzergraben, Grenzzaun, Wachroboter und mehr deutsche Polizei).
Doch einigen Mitgliedstaaten reicht dies nicht aus: Im März traf sich Bundesinnenminister Friedrich mit Amtskollegen aus Österreich, Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien. Die informelle Runde veröffentlichte "Gemeinsame Antworten auf aktuelle Herausforderungen in besonders stark von sekundärer Migration betroffenen Mitgliedstaaten". In Anspielung auf Griechenland wurde gemaßregelt, dass Regierungen ihren "Haushalt ordentlich führen" müssten (gemeint sind nicht Finanzen, sondern ein "Aufräumen" mit Migration). Ansonsten dürfen andere Länder mit der Wiedereinführung von Kontrollen der EU-Binnengrenzen reagieren.
Die Innenminister Deutschlands und Frankreichs schrieben an den dänischen EU-Ratsvorsitz, um ihre Forderung nach einer möglichen temporären Aussetzung des Schengen-Abkommens zu untermauern ( Migranten unerwünscht). Die Regierung in Kopenhagen überraschte kurz darauf mit dem Papier "EU-Aktion gegen den Migrationsdruck - Eine strategische Antwort". Dänemark schlug überdies vor, den Europäischen Auswärtigen Dienst zur leichteren Abschiebung in Ursprungsländer zu nutzen.
Wie bei der Bankenkrise nutzen die deutsche und die französische Regierung auch beim Diktat der Migrationspolitik die Ebene der Europäischen Union zur Durchsetzung gegenüber Griechenland. Mit den Finanzhilfen für die griechische Abschiebeoffensive wird die EU zum Komplizen der Menschenjagd, die mit der steigenden Popularität der faschistischen Partei "Goldene Morgendämmerung" spürbar zugenommen hat.
Amnesty: Schläge, Blutergüsse und Knochenbrüche an der Tagesordnung
Die deutsch-französischen Initiativen befördern einen wachsenden Rassismus, der in regelrechte Pogrome kanalisiert wird. Ein Abgeordneter der "Goldenen Morgendämmerung" erklärt in einer Reportage des britischen Senders BBC, die Partei befände sich in einer "neuen Form von Bürgerkrieg" gegen Migranten. Videos zeigen, wie Migranten von Faschisten ebenso wie von der Polizei schikaniert, verprügelt und verletzt werden.
Das Projekt Welcome to EU berichtet täglich über ähnliche Vorfälle. 11 im Gefängnis Igoumenitsa Inhaftierte mussten demnach ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem sie mehrfach gegen die Gitterstäbe gestoßen wurden. Das "Racist Violence Recording Network" hat deshalb das zuständige Ministerium für Öffentliche Ordnung qufgerufen, die Attacken zu verurteilen und zu verfolgen. Dem Netzwerk gehört Amnesty International ebenso an wie das UNHCR, Human Rights League und Ärzte ohne Grenzen. Bereits im Juli hatte Amnesty International in einer Studie gewarnt, dass die Polizeiübergriffe keine isolierten Ereignisse darstellen. Dienste der Vereinten Nationen bestätigen die rassistische Misshandlungen ausländisch aussehender Einwohner Griechenlands durch Polizisten und Mitglieder der "Goldenen Morgendämmerung".
Gestern hat Amnesty nachgelegt: Die Bürgerrechtsorganisation kritisiert die Unwilligkeit der Polizei, rassistische Attacken zu verfolgen. Stattdessen werden die Opfer eingeschüchtert und Anzeigen verschleppt. In einem Fall befahl ein Polizist einem Migranten im Gewahrsam, drei Mitgefangene zu verprügeln. Bislang gab es keine Verurteilungen für derartige Misshandlungen. Andere Betroffene traten nach ähnlichen rassistischen Misshandlungen in einen Hungerstreik.
Amnesty nimmt auch Bezug auf folterähnliche Misshandlungen von linken Demonstranten auf Polizeistationen: Polizisten hätten sie geschlagen, nackt gefilmt und ihre Haut verbrannt. Sie durften nicht mit Anwälten sprechen. Ärztliche Untersuchungen dokumentieren Schläge, Blutergüsse und Knochenbrüche. Gleichlautende Vorwürfe erheben Demonstranten, die gegen den Bau einer Goldmine bei Chalkidiki protestieren: Die Rede ist von einer neuen Dimension von Polizeigewalt. Wie in Diktaturen werden Aktivsten immer wieder ohne Grund auf Polizeiwachen verschleppt und dort mehrere Stunden gedemütigt, bedroht und misshandelt. So erging es auch einem Mitarbeiter von Amnesty International.
Der Rat der Europäischen Union macht die Bekämpfung unerwünschter Migration in Griechenland zur Chefsache. Zum deshalb erstarkenden Faschismus haben sich der Rat oder die Kommission bislang mit keinem Wort geäußert. Auch zu den rassistischen Übergriffen von Polizisten schweigt die EU.