Großbritannien schießt erneut quer

Briten wollen den IWF nicht mit neuen Mitteln zur Bekämpfung der Euro-Krise ausstatten

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Als die europäischen Finanzminister gestern zur Telefonkonferenz zusammengeschaltet wurden, konnten sie sich nicht auf die geplante Aufstockung des Internationalen Währungsfonds (IWF) um 200 Milliarden Euro einigen. Das war einer der Beschlüsse des letzten EU-Gipfels, mit der die Euro-Krise definitiv gelöst werden sollte.

Da Großbritanniens Regierungschef David Cameron schon Anfang des Monats ausgeschert war, hat sich nun auch sein Finanzminister George Osborne in dem mehrstündigen Gespräch einer Einigung verweigert. Großbritannien beteiligt sich vorerst nicht mit geplanten 25 Milliarden Euro, sondern will erst Anfang des kommenden Jahres im Rahmen von Gesprächen mit den 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) entscheiden. Das heißt, Cameron will abwarten, wie sich der große Bruder USA in dieser Frage verhält.

Allerdings wollen die 17 Euro-Staaten ihre Gipfel-Zusage einhalten und dem IWF gemeinsam 150 Milliarden Euro als bilaterale Darlehen zur Verfügung stellen. Auch EU-Länder, die den Euro nicht eingeführt haben, wollen einen Beitrag leisten, womit die Gesamtsumme auf 170 Milliarden anwachsen soll. In Tschechien, Dänemark, Polen und Schweden müssen allerdings deren Parlamente noch zustimmen.

Doch deutliche Vorbehalte kommen nicht nur von den Briten und aus den USA. Auch die Deutsche Bundesbank zeigt sich wenig begeistert darüber, dass Deutschland etwa 45 Milliarden beisteuern soll. Der für Märkte zuständige Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel verteidigte im Interview die kritische Haltung der Notenbank gegenüber den geplanten Kreditlinien an den IWF: "Ich halte es für wichtig, dass Europa das Signal an die Investoren sendet, dass es seine Probleme selbst lösen kann."

Der IWF soll mit den neuen Milliarden den temporären Rettungsfonds (EFSF) für die Euro-Zone unterstützen können. Besonders im ersten Quartal haben Euro-Länder einen besonders hohen Refinanzierungsbedarf. Klar ist aber auch, dass diese Milliarden niemals ausreichen würden, das abstürzende Italien aufzufangen, das mit zwei Billionen Euro verschuldet ist. Ohnehin wird demnächst auch die Nothilfe 2.0 für Portugal fällig, wie sie schon Griechenland brauchte.

Für Italien wird die Lage derweil auch immer gefährlicher, denn gestern wurden die zehnjährigen Anleihen des Landes wieder mit einem Risikoaufschlag von fast fünf Prozentpunkten über Bundesanleihen gehandelt, die für das Land mit einer Gesamtverschuldung von mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts unbezahlbar sind. Ignazio Visco, der neue Präsident der italienischen Notenbank, hat längst erklärt, dass Italien seine Schulden nur aushalten kann, wenn die Renditen wieder um mindestens zwei Prozentpunkte fallen. Er widerspricht damit den Meldungen, dass auch Zinsen von 7% jahrelang bezahlbar sein sollen.

Vereinbart haben die Finanzminister gestern auch, dass der dauerhafte Euro-Rettungsmechanismus (ESM), der schon im kommenden Jahr aktiviert werden soll, mit mehr Kapital ausgestattet wird, indem die Bareinzahlung zum Arbeitsbeginn erhöht wird. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble muss, so wird berichtet, deshalb 2012 voraussichtlich einen doppelt so hohen Milliardenbetrag an den ESM überweisen, als ursprünglich geplant war. Momentan rechne man damit, im Jahr 2012 eine Rate in Höhe von rund 8,6 Milliarden Euro zahlen zu müssen, berichtete Die Welt unter Berufung auf ein hochrangiges Regierungsmitglied.