Handelsstreit mit China: Schuss in den eigenen Fuß?
US-Präsident Donald Trump ordnet umfangreiche Schutzzölle gegen chinessische Konsumgüter an
Nachdem sich der Handelsstreit zwischen den USA und der Europäischen Union zunächst etwas entschärft hat, beginnt Washington aus vollen Rohren auf China zu schießen. Am gestrigen Donnerstag unterschrieb der US-Präsident Donal Trump eine Anweisung, die Zölle auf rund 1300 verschiedene Arten von Konsumgütern vorsieht. Dem waren bereits Abgaben auf Stahl, Aluminium und Solarpanele voraus gegangen.
Die neuen Zölle sollen Einfuhren betreffen, die einem Umsatz von 50 bis 60 Milliarden US-Dollar entsprechen. Damit wären in etwa – gemessen am Einkaufswert der chinesischen Ausfuhren in die USA im vergangenen Jahr – zehn bis zwölf Prozent der US-Importe aus China betroffen. Die neuen Zöllen treten erst nach einer 15tägigen Frist in Kraft, in der noch seitens betroffener Verbände Einwände erhoben werden können.
China hatte bereits im Vorfeld Vergeltungsmaßnahmen angekündigt, die sich nun als äußerst chirurgisch erweisen. Künftig werden Zölle auf Sojabohnen, Hirse und lebende Schweine erhoben. Damit sollen jene Agrarregionen getroffen werden, in denen die Unterstützung für Donald Trump in den Präsidentschaftswahlen besonders hoch war.
Derweil dürfte China keine Probleme haben, sich anderweitig mit diesen Agrarprodukten einzudecken. Namentlich in Brasilien und Argentinien dürften sich Agrarindustrielle als lachende Dritte fühlen.
Über die geopolitische Implikationen, die das alles haben könnte, wurde hier bereits an anderer Stelle berichtet. Der Entscheidung war eine rege Reisetätigkeit voran gegangen. Emissäre der EU und auch der neue Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier reisten nach Washington und konnten schließlich – obwohl sie nicht zum Chef im Weißen Haus vorgelassen wurden – erreichen, dass die EU von den Zöllen auf Stahl und Aluminium ausgenommen wird.
Auch China hatte Gesprächsbereitschaft gezeigt. Eine 40-köpfige Delegation wollte man schicken, bekam aber von Washington die kalte Schulter gezeigt. Nur zehn Diplomaten wurden Ende Februar ins Land gelassen. Angeführt wurde die Delegation Liu He, zu dem Zeitpunkt noch ökonomischer Berater des Präsidenten XI Jinping, der vergangene Woche später vom Nationalen Volkskongress zu einem der stellvertretenden Premierminister gemacht wurde.
Die hochrangige Besetzung der Delegation zeigte das Interesse der Volksrepublik, den Streit auf diplomatischen Wege beizulegen, doch daran schien in Washington kein Interesse zu bestehen. Auch in der EU scheinen einige lieber auf Konfrontation zu setzen.
Schutz- oder Strafzölle?
Antonio Tajani, Präsident des EU-Parlaments und Mitglied der Forza Italia sowie der Europäischen Volkspartei, ein Parteifreund der Bundeskanzlerin also, meinte im Vorfeld der gestrigen Entscheidung laut tagesschau.de: "Sollte dies (die geplanten Zölle) offiziell bestätigt werden, dann ist das sicher eine Nachricht, die in die richtige Richtung geht." Die USA und Europa seien zwei Seiten ein und derselben Medaille. Europa stelle keine Gefahr für die USA dar. Das Problem der Überkapazitäten auf dem internationalen Stahlmarkt wurzele in China, zitiert ihn der Bericht weiter.
Interessant in diesem Zusammenhang, dass in deutschen Medien wie tagesschau.de oder der Berliner Tagesspiegel von Strafmaßnahmen die Rede ist. Ganz so, als ob da eine unabhängige Autorität Übeltäter maßregeln würde. Wenn, dann sollte man doch wohl eher von Schutzzöllen sprechen, mit der die US-Regierung die heimischen Hersteller die Konkurrenz mit günstigen Importwaren ersparen will.
Dies, könnte man einwenden, sei das gute Recht jeder Regierung. Doch sind es seit vielen Jahrzehnten vor allem die USA und die Westeuropäer, die wenn immer möglich rund um den Globus andere Länder mit Druck und Versprechungen dazu bringen, ihre Grenzen für europäische und US-amerikanische Waren zu öffnen.
Neben der ebenfalls oft von den alten Industriestaaten direkt oder mittels der Schuldenanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds erzwungenen Konzentration auf den Rohstoffexport ist dieser erzwungene Freihandel meist die wichtigste Ursache für die mangelhafte Entwicklung der industriellen Basis in vielen Ländern.
Schutz alter Industrien
Von diesen moralischen Erwägungen abgesehen, fragt sich auch, ob der US-Volkswirtschaft wirklich mit den verhängten Zöllen ein Gefallen getan ist. Zwar ist Stahl ein bisher unverzichtbarer Grundstoff, aber ökonomisch ist die Stahlindustrie in den USA oder auch in Westeuropa schon lange nur noch ein Fliegengewicht. Andererseits kann aber billiger Stahl die inländische Wirtschaftsaktivität auf einigen Gebieten, namentlich der Bauindustrie, erheblich fördern.
Wäre es daher nicht sinnvoller, die Stahlerzeuger als alte, verzichtbare Industrie anzusehen, wie es auch der Bergbau oder – mit Ausnahmen – die Werftindustrie sind, und dafür bessere Bedingungen für Innovation und Effizienzsteigerung zu schaffen? Neue Felder tun sich nicht nur in der Robotik und bei den elektrischen Antrieben auf, zwei Felder, auf denen China schon bald die Nase vorne haben wird, sondern auch in der Energieversorgung, oder bei den Werkstoffen. Wieso nicht lieber nach Alternativen zum Stahl wie etwa dem Holz suchen, statt alte Industrien weiter zu hätscheln.
Auch die Tatsache, dass der US-Einzelhandel – nicht zuletzt Walmart – viel Geld am Verkauf chinesischer Konsumgüter verdient oder der Fakt, dass billige Solaranlagen viele Arbeitsplätze im Handwerk schaffen, wo inzwischen ein erheblicher Teil der mit den Anlagen verbundenen Wertschöpfung im Aufbau stattfindet, sprechen dafür, dass der US-Präsident sich – mal wieder – mit den Schutzzöllen in den eigenen Fuß schießt.