IWF fordert Kürzung von Löhnen und Abfindungen
"Weiterhin schlechte Aussichten" werden Spanien bestätigt, in dem im schlimmsten Krisenjahr nur die Zahl der Arbeitslosen und der Millionäre stark gewachsen ist
Mit Spannung wurde erwartet, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) die Lage in Spanien sieht, nachdem die Veröffentlichung des Prüfberichts um zwei Tage verschoben wurde. Am Mittwoch stellte der IWF seinen Jahresbericht für das Krisenland vor. Hier stellt der IWF dar, in welche Richtung für die Krisenländer angesichts der tragischen Lage in den Krisenländern denkt, nachdem offener Streit in der Troika ausgebrochen ist. Die Finanzorganisation sprach in Madrid von "weiterhin schlechten Aussichten" für Spanien. Um nicht zu negativ zu wirken, werden "Fortschritte" beschworen und von "Zeichen" gesprochen, dass die "wirtschaftliche Talfahrt bald beendet sein könnte".
Man kann annehmen, dass derlei Aussagen auf Druck der konservativen Regierung in diesen beiden Tagen eingeflickt wurden, denn mit Begriffen wie "Talfahrt" umschreiben Regierende wie der Wirtschaftsminister gerne eine schwere Krise und die Rezession. Von diesem "könnte" ist der IWF ohnehin nicht überzeugt. Der Pessimismus der Washingtoner wird im Bericht deutlich. "Ein positiveres Szenario, ähnlich den Prognosen der Regierung", hält der IWF zwar für möglich, doch das verknüpft er mit neuen Reformen und Hilfen aus Europa. "Spanien muss das angekündigte Programm umsetzen und in einigen Bereichen noch darüber hinaus gehen", wird gefordert.
Das war eine kalte Dusche für den konservativen Regierungschef Mariano Rajoy. Der hatte erst am Dienstag vor Unternehmern erklärt: "Das Schlimmste ist vorbei" und die Politik der Regierung müsse beibehalten werden, lobte er seine Arbeit. Der IWF mahnt dagegen an, Abfindungen bei Kündigungen und Löhne weiter zu senken. Möglichkeiten, Tarifverträge auszuhebeln, sollen erweitert und die Firmen durch abgesenkte Sozialbeiträge gefördert werden. Das wird Gewerkschaften auf die Barrikaden treiben, die schon im vergangenen Jahr zum Generalstreik gegen die Arbeitsmarktreform angetreten sind. Obwohl längst Löhne gesenkt, Kündigungsschutz weiter ausgehöhlt und die Abfindungen im vergangenen Frühjahr mehr als halbiert wurden, bleiben versprochene Erfolge aus.
Das bestätigt der IWF sogar, wenn er von einer "inakzeptable Arbeitslosigkeit" spricht, unter der mit mehr als sechs Millionen Menschen "27%" der Bevölkerung leiden. Er fordert aber, Kürzungen noch zu verschärfen. Dabei haben diese weder in Griechenland noch in Portugal Erfolge gebracht. In beiden Ländern wurden sogar Mindestlöhne gesenkt. Mit 485 Euro ist er in Portugal sogar deutlich niedriger als mit 645 Euro in Spanien. Die Arbeitslosigkeit steigt aber auch beim spanischen Nachbar auf immer neue Rekordwerte, weshalb es am 27. zu einem neuen massiven Generalstreik aller Gewerkschaften kommen wird.
Lohnkürzungen und Inflation haben aber einen Effekt, den sogar der IWF als Problem sieht, weil der nationale Konsum abgewürgt wird. Deshalb setzt der IWF vor allem auf Europa, um für "Beschäftigung" in Spanien zu sorgen, um der "Wirtschaft Möglichkeiten zum Wachstum" zu bieten. Der Chef der Prüfergruppe James Daniel sagte: "Europa muss Spanien stärker helfen." Er erkannte an, dass der Abbau des "sehr hohen" Haushaltsdefizits die Wachstumschancen vermindere, und forderte eine nur "schrittweise Haushaltskonsolidierung".
In der Kreditklemme
Der strenge Sparkurs, der Spanien auch aus Brüssel auferlegt wird, hat das Land in die Rezession geführt. Damit hat es Ministerpräsident Rajoy 2012 sogar geschafft, das Defizit wieder steigen zu lassen. Spanien hält nun mit 10,6% den Rekord in der EU noch vor Griechenland. Nun will auch die EU-Kommission das Defizitziel erneut anpassen. Es soll 2013 mit 6,5% sogar höher ausfallen, als für 2012 versprochen war. Doch auch damit sind neue drastische Einschnitte verbunden, die auch nach Meinung des IWF ein Wachstum behindern.
Ein zentrales Problem ist die Kreditklemme. Auch dabei wird der Streit deutlich, der über den weiteren Rettungsweg längst offen in der Troika tobt, zu der neben dem IWF auch die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) gehören. Die EZB spricht der IWF konkret an. Sie müsse mit "zusätzlichen Maßnahmen" die Finanzierungskosten verringern. Am Dienstag stiegen die Zinsen bei Versteigerung spanischer Anleihen wieder deutlich, weshalb umstrittene Anleihekäufe gefordert werden. Über deren Rechtmäßigkeit gerade vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt wird.
Damit Kredite in der darbenden Wirtschaft ankommen, sollten auch weniger Dividenden an Aktionäre ausgeschüttet werden, um die Kapitaldecke der Banken zu stärken. Offen fordert der IWF, "Verluste schnell anzuerkennen", die weiter in deren Bilanzen verborgen sind. Immer neue Löcher brechen auch auf, weil das Oberste Gericht einen lukrativen Betrug an Kunden gestoppt hat und mit der hohen Arbeitslosigkeit immer neue Kredite faul werden. Die spanische Zentralbank hat eine neue Rekordquote von 11% gemeldet. Das ist umso bedenklicher, da durch die Auslagerung von faulen Krediten auf die Bad Bank zuletzt geschönt sogar die Quote gefallen war.
Der IWF geht auch davon aus, dass Spanien neue Milliarden zur Bankenrettung aus dem europäischen Rettungsfonds ESM braucht. Von zugesagten 100 Milliarden Euro hat Spanien bisher 41,5 Milliarden abgerufen. Von "besonderer Bedeutung" sei, dass Europa schneller zur umfassenden Bankenunion komme, fordert der IWF. Damit sollen Banken direkten Zugriff auf das ESM-Geld europäischer Steuerzahler bekommen. Für die Bankenrettung soll zukünftig dann nicht mehr der Staat haften, dessen Schulden mit der Bankenrettung nicht weiter wächst. Während in Spanien die Lage so fatal ist, dass Menschen Unbekannte zum Kaffee oder zum Essen einladen und Schulkantinen hungernden Kinder Mahlzeiten sicher müssen, ist die Zahl der Millionäre im härtesten Krisenjahr 2012 um 5,4% auf 144.600 gestiegen. Es ist vielleicht auch kein Wunder, dass die Tendenz auch bei den Superreichen anhält und ein Spanier nun der reichste Europäer ist. Weltweit stieg die Zahl der Millionäre nach Angaben des World Wealth Report sogar um fast 10%.