Ist Patzelt Pegida-Erklärer oder -versteher?
Der Politologe der Uni Dresden steht in der öffentlichen Kritik. Kritische Studierende, die die rechte Wissenschaftsszene ausleuchten, stehen derweil im Verfassungsschutzbericht
Die Pegida-Bewegung in Dresden und deren Ableger in verschiedenen anderen Städten sind in der Phase des Niedergangs. Damit gehen sie den Weg vieler Bewegungen, die eine Aufschwungphase, eine Zeit der Euphorie und eine Abschwungphase durchlaufen. Dann versuchen verschiedene politische Kräfte diese Bewegung zu beerben, bzw. sich als Bündnispartner anzubieten.
Bei Pegida und Co. bieten sich verschiedene rechte Kleinstparteien, die AfD, aber auch Teile der Union an. Daher wird auch nach dem Niedergang der Bewegung weiter darüber gestritten, was Pegida eigentlich war. Einer der damit in den letzten Wochen in vielen Medien landete, ist der Dresdner Politloge Werner Patzelt, der seine jüngste Studie über Pegida erst vor wenigen Tagen veröffentlichte.
Doch mittlerweile ist Patzelt nicht nur als Pegida-Erklärer in den Medien. Ihm wird von Kritikern eine ideologische Nähe zu Pegida vorgeworfen. Eine Gruppe kritischer Studierender verteilte vor einigen Tagen am Campus der Dresdner Universität Flugblätter, die dem Politologen vorhalten, er würde im wissenschaftlichen Gewand Pegida verharmlosen und deren Gegner diskreditieren. Die Kommilitonen schreiben:
Herr Patzelt ist in der gesamten Pegida-Debatte mehr politischer Akteur denn Wissenschaftler. Wir wollen eine Verharmlosung von Pegida im Namen der Politikwissenschaft nicht hinnehmen. Eine Aufgabe demokratiefördernder Politikwissenschaft ist es, Ursachen von Rassismus und Präventionskonzepte zu erforschen.
Auch mehrere Mitarbeiter des Dresdner Instituts für Politikwissenschaften, darunter Professor Hans Vorländer, haben in einer Erklärung heftige Kritik an Patzels Pegida-Studien geübt. Dort heißt es:
Als Mitarbeiter_innen der TU Dresden begrüßen wir die Entscheidung des Senats unserer Universität, der alle Mitglieder der Universität dazu aufgerufen hat, sich diesem breiten Bündnis anzuschließen. Zugleich liegt uns gerade als Politikwissenschaftler_innen der TU Dresden sehr daran, den von Prof. Werner Patzelt in den letzten Wochen gegen Pegida-kritische Demonstrationen in Dresden erhobenen Vorwürfen entgegenzutreten, die auch den Ruf der Initiative und anderer Solidaritätskundgebungen für Flüchtlinge negativ beeinträchtigen. Wer für Weltoffenheit und Toleranz auf die Straße geht, betreibt keine Feindbildpflege, ist mitnichten "hysterisch" und sieht nicht reflexhaft nur Rechtsextremisten und Faschisten bei Pegida mitlaufen. Diese Behauptungen verkennen ein zentrales Anliegen der jüngsten Demonstrationen für Weltoffenheit in Dresden. Was die Demonstrant_innen am meisten treibt, ist das Bedürfnis, auch denen eine Stimme zu geben, die sich aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Aussehens oder ihrer Kleidung montags nicht mehr auf die Straße trauen und damit kaum Gehör verschaffen können.
Wie rechts sind die ganz normalen Leute?
Dass diese Fragen Patzelt nicht interessieren, zeigt ein Artikel, den er in der FAZ unter den Titel "Edel sei der Volkswille" verfasst hat. Dass bei den Pegida-Aufmärschen erkennbare Neonazis mitliefen, kann auch Patzelt nicht bestreiten, ist für ihn aber nicht von Belang.
Zwar marschieren bei Pegida schon auch Rechtsradikale. Doch die allermeisten der vielen Tausenden von Demonstranten gehören in Dresden zum ganz normalen Volk. Es sind Arbeiter und Angestellte, auch etliche Selbständige, von der Mittelschicht bis zu den "kleinen Leuten", von CDU-Wählern bis hin zum rechten Rand, mit vielen Nichtwählern dabei. …. In Dresden rufen, meistens voll aufrichtiger Empörung, im Sprechchor vereinte Demonstranten eine Fußballhalbzeit lang "Faschistenpack" - und sehen unterdessen ganz normale Leute an sich vorüberziehen.
Doch diese Kooperation von offenen Neonazis mit den sogenannten "normalen Bürgern" ist für Patzelt nicht etwa ein Beleg für die These, dass der Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Vielmehr wartet er mit einer These auf, die auch bei den Pegidisten aller Couleur auf Zustimmung stoßen dürfte. Die 68er und deren Marsch durch die Institutionen sind Schuld.
Seit die Achtundsechziger ihren "Marsch durch die Institutionen" vollendet haben, sind sowohl der öffentliche Diskurs als auch das von ihm geprägte Parteiensystem im Vergleich zu dem nach links gerückt, was sich demoskopisch als reale Meinungsverteilung der Bevölkerung ermitteln lässt. Tatsächlich sind die Wortführer öffentlicher Meinung immer wieder entsetzt darüber, wie große Anteile rechten Denkens die Demoskopen regelmäßig im Volk entdecken. Für normal hält man derlei natürlich nicht, sondern ist enttäuscht, dass im realen Meinen eben doch nicht verschwindet, was man so umsichtig aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt hat. Anscheinend bleibt selbst strikte Diskurshygiene ohne umfassende Erziehungswirkung. Und was ursprünglich an zivilisierenden Geboten politischer Korrektheit durchaus nicht repressiv gemeint war, nimmt dann eben doch diese Rolle an, sobald sich diskursivem Erzogen werden verweigert, wer in die Öffentlichkeit geht.
Man braucht hier keine aufwendige Diskursanalyse anzustellen, um festzustellen, dass dieser Abschnitt das wiedergibt, was die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit seit Jahren verkündet. Von Nichtdeutschen, die seit Pegida in Dresden mehr Angst haben, ist bei Patzelt nicht die Rede. Auch nicht von den Journalisten, die auf Pegida-Aufmärschen nicht nur als Lügenpresse beschimpft, sondern oft genug noch tätlich angegriffen wurden, ist bei ihm auch nicht die Rede. Er hat die Pegida-Geher zum Opfer erkoren:
Tatsächlich haben wir es so weit gebracht, dass es für Leute, die sich rechts der Mitte artikulieren wollen, in unseren Talkshows nur noch die Rolle des Krokodils im Kasperltheater gibt: Man akzeptiert sie dafür, zum Gaudium der Wohlmeinenden verprügelt zu werden - teils mit der Klatsche ethischer Empörung, teils mit dem Rohrstock der Satire.
Dass in verschiedenen Talkshows immer wieder die Anliegen von Pegida wolhlwollend zur Kenntnis genommen wurden, ist ihm wohl entgangen.
Diskussion statt Repression
Lob für den Umgang mit der Kritik an Patzelt an der Dresdner Universität kommt von der Kritischen Uni Rostock:
Eine Gruppe von kritischen Studierenden der TU Dresden ist vergangene Woche mit einem Flugblatt in Erscheinung getreten. Darin kritisieren sie die Stellungnahme von Prof. Patzelt zu Pegida. Das hatte zur Folge, dass sich Dozierende mit ihnen solidarisierten. Damit unterscheidet sich der Umgang mit Kritik an der TU Dresden grundlegend von dem in Rostock. Denn hier werden Studierende für ähnliche Kritik kriminalisiert.
Tatsächlich hat die Kritische Uni Rostock auch an der Hochschule der Hansestadt die rechte Wissenschaftsszene ausgeleuchtet und landete deshalb im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg Vorpommern :
Ein dem Anschein nach linksextremistischer Hintergrund dürfte auch einer Outing-Aktion an der Rostocker Universität im Jahre 2013 zugrundeliegen, in deren Rahmen Dozenten des Historischen Instituts der Universität wegen "Verbindungen ins rechte Milieu" bezichtigt wurden.
Der Pressesprecher des Ministeriums für Inneres und Sport in Mecklenburg Vorpommern Michael Teich betont gegenüber Telepolis, die Studentengruppe Kritische Uni sei kein Beobachtungsobjekt des Landesverfassungsschutzes. Lediglich die Aktionsformen der Gruppen würden dort beschrieben. "Der Beitrag im Jahresbericht 2013 wurde vor dem Hintergrund der für Linksextremisten typischen Aktionsform des 'Outing' mit der Einleitung 'Ein dem Anschein nach linksextremistischer Hintergrund' versehen", so Teich. Über Internetveröffentlichungen sei der Verfassungsschutz auf die Aktion gestoßen.
Dass eine kritische Beschäftigung mit rechten Bestrebungen zu einem Eintrag in den VS-Bericht führt, ist für den ASTA und den Studierendenrat der Rostocker Universität unverständlich. "Der Diskurs ist das grundlegende Prinzip jeder Hochschule. Das Verbreiten von Flugblättern an einer deutschen Universität von einem Geheimdienst verfolgen zu lassen, widerspricht diesem Prinzip und ist daher kategorisch abzulehnen", heißt es in einer Stellungnahme der Studierendenschaft der Universität Rostock.
Ein Mitglied der Kritischen Uni Rostock, der namentlich nicht genannt werden will, erklärt gegenüber Telepolis:
Das Problem besteht darin, dass kritische Meinungen eindeutig kriminalisiert werden und gesellschaftlich damit stigmatisiert. Damit wird auch anderen Studierenden erschwert, sich kritisch zu äußern. Offenbar muss man befürchten, dass die eigene Meinung gleich als demokratiefeindlich dargestellt wird.
In der Vergangenheit stand der VS von Mecklenburg bereits in der Kritik, weil der die Punkband Feine Sahne Fischfilet, die häufig bei Antifakonzerten auftritt, als Teil der linksextremen Szene des Landes aufführte. Allerdings sollte man erst den nächsten sächsischen Verfassungsschutzbericht abwarten. Es ist gut möglich, dass auch dort die kritischen Studierenden, die die Kontroverse um Patzelt mit ausgelöst haben, erwähnt werden.