Klimakonferenz-Showdown: Warten auf Obama

In den letzten zwei Tagen haben 120 Staatschefs im Drei-Minuten-Takt über die Rettung der Welt gesprochen - einer fehlte: Barack Obama. Nun wartet die Weltgemeinschaft auf die Rede des US-amerikanischen Präsidenten.

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Bis er kommt, wird durchverhandelt. Doch was haben die USA eigentlich die letzten zwei Wochen gemacht und warum kommt Obama in der letzten Minute?

Die Weltmacht USA will nicht mehr der Buhmann sein. Doch statt ehrgeizigen Klimazielen, die von Senat und Repräsentatenhaus unterstützt werden, haben die 198 Delegierten der USA vor allem Promis und Versprechen mit nach Kopenhagen gebracht. In den letzten Tagen landeten in der dänischen Hauptstadt gleich fünf Glamour-Köpfe der US-Politik. "Tolle Frau", meinten viele Journalisten nach einer Rede der US-Außenministerin Hillary Clinton am Donnertag. Und auch für die weiblichen Teilnehmer der Konferenz war etwas dabei: "Arni" alias Arnold Schwarzenegger begeisterte bei seinem Auftritt im Bella Center mit seinem obligatorischen Terminatorsatz: "I`ll be back." Was die Show anbetrifft, sind die Amerikaner wieder einmal allen voraus.

Gegen die Geschichte des untergehenden Inselstaates Tuvalu sieht selbst ein Schwarzenegger alt aus

Ob es auch für einen Showdown in den Klimaverhandlungen reichen wird, bei dem wie in einem good-old Hollywood-Film am Ende alles gut wird, werden die nächsten Stunden zeigen. Die Hauptrolle ist jedenfalls an US-Präsident Barack Obama vergeben. Er soll retten, was noch zu retten ist. Vielleicht brauchen die USA auch diese besondere Aufmerksamkeit, um ihre Rolle gut zu spielen. In den letzten zwei Wochen mussten sie ständig mit dem ziemlich medienwirksamen Auftreten der kleinen Inselstaaten und der afrikanischen Länder mithalten. Doch gegen die Geschichte des untergehenden Inselstaates Tuvalu sieht selbst ein Schwarzenegger alt aus. So hielten sie sich lieber im Hintergrund.

Eines haben die Amerikaner schon mal geschafft: Sie sind ihr Image als Bremser losgeworden. Stattdessen haben sie sich in den letzten zwei Wochen eher ruhig verhalten. Unzählige Pressebriefings wurden gecancelt und auch sonst alle aufsehenerrgende Maßnahmen vermieden. Als Bremser und Blockierer wurden stattdessen - vor allem von Seiten der Europäischen Union - die G77 und China defamiert. Da nun Zahlen von den USA vorliegen würden, müssten sich auch andere Staaten, vor allem der US-Konterpart China, kompromissbereiter zeigen, hieß es von EU-Chefunterhändler Anders Turesson wie auch vom deutschen Umweltminister.

Dürftige Angebote der Amerikaner

Doch trotz gut gemeinten Absichtserklärungen war das, was die amerikanische Delegation für Kopenhagen im Gepäck hatte, sehr dürftig. Sie sind zwar mit rund 200 Delegationsmitgliedern zu den Weltklimaverhandlungen gekommen, aber mit wenig konkreten Zahlen und Handlungsspielräumen. Das einzige konkete Angebot für die Minderung der Treibhausgase seitens der USA ist immer noch nicht sicher. Der US-amerikanische Senat hat bis jetzt nicht das nationale Klimagesetz verabschiedet, wodurch bis 2020 vier Prozent der Emissionen gegenüber 1990 gesenkt werden sollen.

Immerhin brachte US-Außenministerin Clinton am Donnerstag die erste positive Botschaft mit nach Kopenhagen: Ihr Land wolle sich ab 2020 an dem von der UN ins Leben gerufenen Anpassungsfond beteiligen. Damit sollen arme und vom Klimawandel besonders betroffene Länder finanziell unterstützt werden. Konkreter wurde sie allerdings nicht. Das war das erste Zugeständnis nach fast zwei Wochen Klimakonferenz. Bis dato war das Land eher damit beschäftigt, traditionelle Schutzgräben weiter auszuheben.

China

Angegriffen wurde dabei vor allem China. "Der Grund dafür, dass die USA sich so langsam bewegen, ist die Befürchtung, von den Schwellenländern überrollt zu werden: 2020 wird China 40 Prozent mehr Treibhausgase emittieren als wir", so der US-Senator John Kerry und Architekt des US-amerikanischen Klimagesetzes, auf der Konferenz am Mittwoch. Deshalb pochen die USA darauf, auch Schwellenländer wie China und Indien mit ins Boot zu nehmen und sie zu verbindlichen Zielen zu verpflichten. Kein Wunder also, dass der US-Chefunterhändler Todd Stern schon in den ersten Tagen der Konferenz bei einem seiner seltenen Auftritte das Ende des Kyoto-Protokolls forderte: "Wir werden nichts unterschreiben, was auf dem Kyoto-Protokoll basiert, wie das Kyoto-Protokoll aussieht oder ein Kyoto-Protokoll mit anderem Namen ist." Natürlich gebe es Elemente, die sich innerhalb des Protokolls bewährt hätten. "Was wir insgesamt aber brauchen, ist ein Systemwechsel", so Stern.

Das Kyoto-Protokoll

Das ist nur folgerichtig, denn wer die Schwellenländer mit verpflichten will, muss Kyoto abschaffen. Unter diesem Protokoll werden die historische Schuld der Industrieländer und ihre entsprechenden Verpflichtungen festgeschrieben. China ist unter Kyoto aber genau so ein Entwicklungsland wie Burkina Faso.

Die Gruppe 77, wie auch China, besteht jedoch darauf, das alte Protokoll, das noch bis 2012 läuft, am Leben zu erhalten. Daran hängt für diese Länder die "Schuldfrage": Immerhin produzierte die USA zwischen 1903 und dem Jahr 2000 mit 258,52 Milliarden Tonnen (bei einem Bruchteil der Bevölkerung) 3,6 Mal so viel Kohlendioxid wie China. "Wir akzeptieren absolut unsere Schuld bei der Verursachung des Problems", erklärte Todd Stern. Es gehe aber nicht um "Reparationen". Ziel müsse sein, "Ländern, die noch nicht auf unserem Entwicklungsgrad sind, eine kohlenstofffreie Entwicklung zu ermöglichen", so der US-Diplomat. Und er fügte hinzu: "China gehört nicht mehr zu den ärmsten Ländern."

Hoffnung auf den Joker

Bis zuletzt sei es zwischen China, den G77 und den USA hinter verschlossenen Türen hoch her gegangen, heißt es aus Verhandlungskreisen. Dass Hillary Clinton nun wenigstens in der Finanzierungsfrage eingelenkt hat, werten viele Beobachter und Nichtregierungsorganistionen wie Germanwatch als positives Signal. Und sie haben die Hoffnung, dass Präsident Obama nun mit einem etwas größeren Strauß von Angeboten nach Kopenhagen einfliegt und vielleicht noch im letzten Moment einen Joker aus der Tasche zieht.

Zum Showdown gehört auch, dass US-Präsidentensprecher Robert Gibbs am Donnertagabend vor der Ankunft seines Chefs in Washington erklärte, dass man auf keinen Fall mit einer inhaltsleeren Einigung nach Hause kommen wolle. Obama wolle seinen Teil zu einem "soliden und funktionsfähigen Abkommen" beitragen, so Gibbs. Gleichzeitig spielte er den Ball aber wieder an den Widersacher China ab: Dieser müsste zu einer "echten" Lösung beitragen. Ob Obama diese Patt-Situation morgen auflösen wird, ist bei allem Respekt vor dem amerikanischen Showkönnen aber mehr als fraglich.