Koalitionsvertrag: Energiewende wird ausgebremst

SPD knickt auch bei den letzten Punkten ein. Kein öffentlicher Fonds für AKW-Abriss und Atommüll, Bürgerengagement wird stranguliert, keine konkreten Maßnahmen gegen hohe Stromrechnungen geplant

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Nun ist also alles in Sack und Tüten. CDU, CSU und SPD haben sich in einer langen Nachtsitzung auf die letzten strittigen Punkte ihres Koalitionsvertrags geworfen. Nun haben die SPD-Mitglieder das letzte Wort. Bis Mitte Dezember werden sie in einer Urabstimmung über die Koalition ihrer Partei mit der SPD entscheiden.

Wir hatten bereits gestern in der Energie- und Klimawochenschau ausführlich über das Energiekapitel berichtet und wollen nun noch einmal schauen, was sich noch verändert hat, bzw. was konkretisiert wurde.

Unter den Tisch gefallen ist die Forderung der SPD nach einem "öffentlich-rechtlichen Fonds" "zur Sicherstellung der Finanzierung der nuklearen Entsorgung". Statt dessen heißt es jetzt unverbindlicher: "Wir erwarten, dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden. Über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespräche führen."

Ebenfalls auf der Strecke blieb die SPD-Forderung keine staatlichen Hermes-Bürgschaften mehr für den bau von Atomkraftwerken zu erteilen. Die Union hatte sich dagegen gesperrt, aber staatliche deutsche Kreditgarantien für den AKW-Bau in Brasilien hatte es ja bereits unter dem grünen Außenminister Joschka Fischer gegeben, insofern also nichts Neues, sondern nur die alte unerfreuliche Politik.

Die Einrichtung des Endlagers Konrad und die Schließung des Endlagers Morsleben sollen weiter vorangetrieben und in der Schachtanlage Asse II die Voraussetzungen für die Rückholung der Abfälle geschaffen werden. Einig ist man sich außerdem offensichtlich darin, dass Gorleben weiter offen gehalten werden soll. Die SPD hatte allerdings gefordert, dass eine vor dem Verwaltungsgericht in Lüneburg anhängige Klage des Bundes um einen Rahmenbetriebsplan für das "Erkundungsbergwerk" zurückgezogen werde. Auch damit konnte sie sich nicht durchsetzen.

Was den Klimaschutz angeht, soll es einen "Klimaschutzplan" geben. Von der von der SPD ursprünglich geforderten gesetzlichen Fixierung ist nicht mehr die Rede. Als langfristiges Ziel soll bis 2050 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Jahre 1990 erreicht werden. Wir hatten gestern bereits vorgerechnet, dass 80 Prozent als Deutschlands Beitrag zur Stabilisierung des globalen Klimas deutlich zu wenig wären.

Und nun der Hammer: Die Energiewende soll definitiv ausgebremst werden. Dafür werden gesetzlich fixierte Ausbaukorridore eingeführt. Die Verbindlichkeit der Zielvorgaben war bis zum Schluss strittig, auch hier hat sich die Union gegenüber den Sozialdemokraten durchgesetzt.

Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien erfolgt in einem gesetzlich festgelegten Ausbaukorridor: 40 bis 45 Prozent im Jahre 2025, 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035. Jährlich wird der Fortgang des Ausbaus im Hinblick auf Zielerreichung, Netzausbau und Bezahlbarkeit überprüft (Monitoring).

Koalitionsvertrag

Auffällig ist zunächst, dass nicht klar definiert ist, worauf sich die Prozentangaben beziehen. Ist nur die Stromerzeugung gemeint oder die Primärenergie? Aus dem Kontext lässt sich erahnen, dass es um den Stromsektor geht, aber gerichtsfest formuliert ist es sicherlich nicht.

Nehmen wir an, dass die Stromversorgung gemeint ist. Dann ist das wirklich starker Tobak. Derzeit haben die Erneuerbaren einen Anteil von rund 24 Prozent am Netto-Stromverbrauch. Bereits zu Beginn der letzten Legislaturperiode hatten die Verbände der Erneuerbaren Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgerechnet, dass bis 2020 ein 47prozentiger Anteil an der Stromversorgung möglich wäre.

Voraussetzung dafür wäre eine ausreichend wohlwollende Politik, doch der Koalitionsvertrag stellt das Gegenteil dar. Der bisher sehr dynamische Markt soll ausgebremst und das vielfältige Bürgerengagement in ein enges Korsett gepresst werden, damit den großen Konzernen nicht die Luft ausgeht. Die Konsequenz wird eine erhebliche Verlängerung der Laufzeiten der Kohlekraftwerke und des Braunkohleabbaus sein.

Dafür, dass es vor allem um die Förderung der großen Unternehmen geht, spricht auch, dass ab 2018 ein Ausschreibungsmodell eingeführt werden soll. Förderung bekäme dann nur noch, wer in einer Ausschreibung den Zuschlag bekommt. Es liegt auf der Hand, dass damit Großprojekte bevorzugt werden und die Kleineren wegen mangelnder Erfahrungen oder bürokratischer Kapazitäten das Nachsehen haben.

Fazit: Die SPD und Union wollen die Energiewende bremsen. Dafür wird das Kostenargument vorgeschoben und zugleich mit keinem Wort der drastische und weiter anhaltende Preisverfall bei der Fotovoltaik erwähnt. Dieser führt gemeinsam mit der ohnehin schon kostengünstigen Onshore-Windenergie dazu, dass der Neubau kaum noch Einfluss auf die Zusatzkosten der Energiewende hat, eine Tatsache, die von den Möchte-gern-Koalitionären vollständig ignoriert wird.

Übrigens: Die SPD hat sich auch mit ihrer Forderung nach Senkung der Stromsteuer nicht durchsetzen können. Der Koalitionsvertrag enthält nun trotz des ganzen Geredes über die Kosten der Energiewende keinen einzigen Vorschlag, wie die Stromrechnung der privaten Haushalte und der Gewerbetreibenden abgesenkt werden könnte.