Kommunalpolitische Erfolge für die Piraten
In Winterthur zimmert die Partei eine Mehrheit zur Prüfung des Umstiegs der Oberschulen auf Open Source und in der Wetterau treten drei ehemalige Linkspartei-Stadtverordnete über
Das im Kanton Zürich gelegene Winterthur ist die sechstgrößte Stadt der Schweiz. Seit März sitzt in der Winterthurer Legislative, dem "Großen Gemeinderat", mit Marc Wäckerlin ein Vertreter der Piratenpartei. Der konnte in der letzten Woche so viele andere Mitglieder des Stadtparlaments von den haushaltspolitischen und sonstigen Vorzügen von Open-Source-Software überzeugen, dass sie gegen den Willen der Finanzstadträtin Verena Gick von der FDP für die Prüfung des Einsatzes solcher Programme an den Oberschulen der Stadt stimmten.
Nun muss der "Stadtrat", der in der Schweiz ein Exekutivorgan ist, innerhalb von acht Monaten verschiedene Projektvarianten auf Basis von GNU/Linux prüfen. Wäckerlin zufolge zeigt dieser Erfolg, wie durch intensive Informationsarbeit bei allen anderen Fraktionen Mehrheiten abseits der politischen Fronten zustande kommen können. Vor einem halben Jahr hatte der Gemeinderat nämlich einen ähnlichen Antrag, der die Prüfung von Open-Source-Software auf 20 Clients in der Verwaltung vorsah, mehrheitlich abgelehnt. Nach intensiver Aufklärungsarbeit stimmten nun 52 anwesende Gemeinderatsmitglieder für und nur sechs gegen den neuen Antrag. Nicht überzeugen ließ sich lediglich die katholisch geprägte CVP; die Abgeordneten der regierenden FDP votierten dagegen trotz der Ablehnung Gicks und des ebenfalls zu ihrer Partei gehörigen Sport- und Schulstadtrats Stefan Fritschi teilweise für das Prüfungspostulat. Die Winterthurer Piraten wollen nun dabei mithelfen, dass die Lehrer bei der Umsetzung ausreichend mit einbezogen und informiert werden.
Auch in Deutschland konnten die örtlichen Piraten einen – wenn auch kleineren –kommunalpolitischen Erfolg verbuchen: In der hessischen Wetterau traten im Juni die Stadtverordneten Peter Ringel, Martin Hinz und Helge Welker aus Bad Vilbel, Friedberg und Rosbach in die Partei ein. Helge Welker führte als Grund dafür die Basisdemokratie an, Martin Hinz die Möglichkeiten, "neue und innovative Ideen ohne Hemmnisse [zu] entwickeln".
Vorher waren die drei Kommunalpolitiker Mitglieder der Linkspartei, die in den letzten Wochen unter anderem durch die Aufstellung von Lukrezia Jochimsen als Bundespräsidentschaftskandidatin und eine Abmahnaffäre ihres stellvertretenden Bundestagsfraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch vorführte, dass sie sich in Immaterialgüterrechts- oder Zensurfragen nur sehr bedingt von den etablierten politischen Parteien in Deutschland unterscheidet.