Kopenhagen: Noch immer ohne Ergebnis
Im Bella Center wurde diese Nacht durchverhandelt. Das UN-Plenum tagt immer noch
"Dieses Abkommen ist inakzeptabel - wir werden es nicht unterschreiben", so die Delegation Nicaraguas kurz nach dem Verhandlungsbeginn heute um 3 Uhr morgens. Vorher hatten sich 25 große Länder auf ein Abschlussdokument geeinigt. Den so genannten "Copenhagen-Accord" lehnen aber viele Teilnehmer entschieden ab. Großbritannien, die USA, Frankreich und die Malediven pochen wiederum darauf, die Vereinbarung, "die niemanden wirklich glücklich macht" durchzuwinken, um die Verhandlungen zu einem Ende zu bringen.
US-Präsident Barack Obama hat am späten Freitagabend das Verhandlungsergebnis verteidigt. Der Vorschlag, auf den sich die USA mit China und Europäischen sowie weiteren Ländern geeinigt haben, sieht keine konkreten Emissionsminderungsziele vor. Diese Zahlen sollen später in einem Anhang festgeschrieben werden. Das Abkommen soll dann rechtlich unverbindlich sein.
Obama sagte: "Kopenhagen ist nicht das Ende, sondern eher der Anfang." Ein rechtlich bindendes Abkommen sei "nötig", doch es sei "auf dieser Konferenz nicht erreichbar" gewesen. Zuvor müsste noch mehr Vertrauen zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer aufgebaut werden. Ziel sei, dass "jeder anerkennt, dass wir uns gemeinsam bewegen müssen".
Den Grund für die Skepsis vieler Länder der COP, die das Abkommen noch einstimmig annehmen müssen, liefert der Vertragstext: Er enthält keine langfristigen Reduktionsverpflichtungen mehr. Die EU hatte am Nachmittag in den Vertrag ein Ziel für 2050 hineinverhandelt: "Minus 80 Prozent". Dieses Ziel fehlt nun. Auch kurzfristig bindende Reduktionsziele fehlen im Vertrag. Statt dessen heißt es dort, die Erderwärmung soll auf 2 Grad begrenzt werden, bis zum 10. Februar sollen die nationalen Reduktionsziele der Annex-I-Staaten nachgetragen werden.
Doch während die Staats- und Regierungschefs das Bella Center längst verlassen haben, verhandelt COP-Präsident mit den 193 Delegierten weiter. Bis jetzt ist noch keine Einigung in Sicht.
Für die südamerikanischen Staaten wie Venezuela ist klar, dass der Vertrag nicht demokratisch ausgearbeitet wurde, sondern von den "25 elitären Staaten". Bolivien will wissen, warum man nicht auch die anderen Verträge von Tuvalu oder den OASIS-Staaten so langwierig diskutiert habe.
Den rhethorischen Coup landet der sudanesische Verhandlungsführer Lumumba Di Aping, der das Zwei-Grad-Ziel wiederholt als Todesurteil für Afrika bezeichnete und die Annahme des Abkommens indirekt mit der Einläutung eines neuen Holocaustes verglich. Diesen Vergleich wiesen die meisten Länder entrüstet zurück. Auch afrikanische Länder stellten sich gegen Di Aping, der auch Sprecher der Gruppe der Entwicklungsländer ist. Staaten wie Äthiopien, Gabun oder auch Ghana sprachen sich klar für die Annahme des neuen Dokumentes aus - vor allem aufgrund der Aussicht auf finanzielle Hilfen, die in der Erklärung in Aussicht gestellt werden.
Weil das Dokument "besser als gar nichts sei", kämpfen die meisten der kleinen Inseltaaten für seine Annahme. "Wir stehen hinter Granada, die uns in der Ausarbeitungsgruppe vertreten haben", so der Sprecher von Barbados. "Wir haben einfach nicht den Luxus von ideologischen Sichtweisen", kontert er auf die Angriffe vor allem von südamerikanischen Staaten. Der maledivische Präsident Mohammed Nasheed hingegen versucht die ganze Nacht hindurch, mit unzähligen Wortmeldungen die Kritiker des Entwurfs für ein "Ja" zu gewinnen. Als es gegem Morgen geht und weitehin keine Einigung in Sicht ist, bettelt Nasheed kläglich um die Stimmen der Kritiker:
"Wir sind doch auf eurer Seite, wir sind auch ein Entwicklungsland und wir finden den Entwurf mehr als unzureichend - aber wir brauchen dieses Dokument, um weiter zu arbeiten - bitte, bitte nehmt es an."
Nach dieser dramatischen Ansprache ist es schon gegen 7:00 Uhr und Länder wie Saudi Arabien haben schon mehrmals darauf hingewiesen, dass ihr Flugzeug bald geht und die Sitzung ein Ende finden müsse. Großbritannien - einer der Architekten des umstrittenen Abschlussdokumentes - fordert, den "Copenhagen Accord" anzunehmen. Die Kritiker könnten sich beim Sekretariat von Yvo de Boer registrieren lassen und dort ihre Bedenken nochmals vorbringen - so etwas nennt man "Vorbehaltserklärung". Dieser Vorschlag wird aber gleich durch Widerstand im Plenum wieder verworfen. Immer mehr Apelle gehen an Rasmussen, doch endlich etwas zu tun. Der dänische Premierminister ist aber sichtlich überfordert.
Nach einer längeren Pause und viel Ratlosigkeit hat sich auch um 10 Uhr noch nichts bewegt.