London: Radwege als Wirtschaftsförderung
Die britische Hauptstadt mausert sich zu einem neuen El Dorado für Radfahrer und entdeckt die ökonomischen Vorteile der Entschleunigung
Das werden Autofans vermutlich nicht so gerne hören: Wer die lokale Wirtschaft ankurbeln will, sollte deutlich bessere Bedingungen für Fußgänger und den Fahrradverkehr schaffen. Das legt eine kleine Untersuchung aus London nahe, die im Auftrag der dortigen Verkehrsbehörde durchgeführt wurde und über die unter anderem das Magazin Forbes berichtet.
Demnach besuchen Fußgänger 16 Mal im Monat "high street", das heißt, das lokale Geschäftszentrum mit den Läden für den täglichen oder nicht ganz so alltäglichen Bedarf. Radfahrer machen es 12 Mal und Autofahrer nur achtmal. Nun könnte man meinen, Autofahrer kaufen halt seltener, aber dafür mehr ein. Doch: Fußgänger würden bis zu 40 Prozent mehr in den örtlichen Läden ausgeben als Autofahrer.
Die Untersuchung wurde in Stadtteilen Londons durchgeführt, die nach niederländischem Vorbild besonders fahrradfreundlich gestaltet wurden. Unter anderem sind in London viele Nebenstraßen mit Pfählen oder anderen Hindernissen effektiv für den Durchgangsverkehr gesperrt. Außerdem gibt es ein Netz von Radwegen, die teils durch Seitenstraßen, entlang von Kanälen oder durch physische Barrieren abgetrennt entlang großer Straßen führt.
Ein 40 Meilen (64 Kilometer) umfassendes Geflecht aus sogenannten Super Highways bildete das Rückgrat des Radwegesystems, wie ein sehenswertes Video aus dem Jahre 2018 erklärt. Man nehme sich ein Beispiel an Kopenhagen und Amsterdam und habe den Umfang der Investitionen in den Radverkehr auf das dänische Niveau angehoben.
Noch dominierten männliche Radfahrer und der Radverkehrs sei ziemlich hektisch. Es gehe aber im Rahmen der sozialen Gerechtigkeit darum, ihn auch für Kinder und Alte zur Option zu machen und den ganzen Straßenverkehr in der Stadt zu entschleunigen, wird als Ziel formuliert.
Das in Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer gesteckte Geld, so die oben verlinkte Publikation der Londoner Verkehrsbehörde, würde sich durch die Förderung des lokalen Einzelhandels auch ökonomisch bezahlt machen. Nach den Verkehrsverbesserungen in den untersuchten Quartieren habe der Leerstand von Ladengeschäften um 17 Prozent ab- und der Einzelhandelsumsatz um 7,5 Prozent zugenommen.
Außerdem sei zu beobachten, dass das soziale Leben auf den Straßen deutlich zunehme. Fußgänger und Radfahrer würden nicht nur zum Einkaufen in die lokalen Geschäftsstraßen kommen, sondern fast die Hälfte auch, um Freunde zu treffen oder an sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Soziale Aktivitäten hätten nach den Umbaumaßnahmen um 216 Prozent zugenommen.
Vielleicht kommen ja derlei Erkenntnisse irgendwann einmal auch bei deutschen Stadtplanern und Lokalpolitikern an.