Merkel versucht mit Lob die Rettung des spanischen Regierungschefs Rajoy
Das von der Kanzlerin gelobte starke spanische Wachstum ist nicht nachhaltig und basiert auf Tourismus und erneut auf Bautätigkeit
Beim Besuch des Spaniers Mariano Rajoy bei Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin stellte der Konservative seine angebliche "erfolgreiche Erholung" und seine Reformpolitik in den Vordergrund. Er präsentiere sich als "Musterschüler"der Berliner Politik, titelt eine Tageszeitung in seiner Heimat Galicien zum Besuch.
Rajoy prognostizierte, die Wirtschaft werde mit 3,3% die höchste Wachstumsrate in der Eurozone haben. Sie wuchs im zweiten Quartal um 1%. Deutschland könne sich davon "eine Scheibe abschneiden", meinte Merkel. Sie blendete dabei völlig aus, dass Spanien lange Jahre heftig geschrumpft ist. "Es liegt auf der Hand, dass der eingeschlagene Kurs zu guten Ergebnissen führt." Ob sie damit auch Griechenland meint, das mit 0,8% nach Angaben der Europäischen Statistikbehörde Eurostat fast genauso stark gewachsen ist?
Doch auch Merkel kam nicht umhin, die vielen Arbeitslosen anzusprechen. Denn auf diesem Feld wird Spanien nur von Griechenland übertroffen. Mehr als 5,1 Millionen Menschen sind nach Angaben der Nationalen Statistikbehörde (INE) ohne Job. Eurostat bezifferte die Quote am Dienstag auf 22,2%, also weit über dem Durchschnitt im Euroraum (10,5%). In Portugal sind es 12,1% und in Irland 9,5%. Merkel strich heraus, in Spanien würden neue Stellen geschaffen, womit es dazu beitrage, "dass Europa insgesamt auch aus der Krise Schritt für Schritt herauskommt".
Die Wirtschaftszeitung "El Economista" weist aber darauf hin, die "Qualität" befristeter Jobs im Tourismus- oder im Baugewerbe sei "niedrig". Sie hätten ein "Verfallsdatum" und würden verschwinden, "wenn der Sommer vorbei ist". Stets wurden hier wenige Verträge unbefristet geschlossen, von Januar bis Juli nur noch gut 8%. Nach Angaben der Gewerkschaft CCOO sind in unbefristete verwandelte Verträge darin schon enthalten. Zwei Arbeitsmarktreformen seien gescheitert. Um unbefristete Beschäftigung zu fördern, wurde der Kündigungsschutz praktisch abgeschafft und sind Abfindungen stark gesenkt worden.
Teresa García von UGT zeigt auf, dass gegenwärtig 25% der Verträge für höchstens eine Woche geschlossen werden. Das sei "Wahnsinn" und 10 Prozent mehr als zu Krisenbeginn 2008. Die Jobsituation schlägt neue Löcher in die Sozialkassen. Obwohl es offiziell nun mehr Beschäftigte gibt, hat sich ihr Defizit in den ersten sieben Monaten auf fast 4,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Geht der Griff in die Rentenkasse so weiter wie bisher, sind alle Reserven 2018 aufgebraucht, rechnen Experten vor. 38 Milliarden hat die Regierung Rajoy seit 2012 entnommen.
Spanien profitiert derzeit vor allem von Tourismus-Rekord
Bis Juli wurden im Urlaubsland fast 38 Millionen Urlauber registriert, 4,7% mehr als im Vorjahreszeitraum. Schon in den beiden letzten Jahren wurden neue Rekorde aufgestellt.
Das hatte auch mit der unsicheren Lage in anderen Mittelmeerländern zu tun. In diesem Jahr wird Tunesien nach den Anschlägen wieder gemieden. Das trägt genauso zum neuen Rekord bei, wie die Tatsache, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Währungskrieg den Euro gezielt geschwächt hat. So ist es kein Wunder, wenn Briten mit 8,7 Millionen Urlauben in Spanien die größte Gruppe stellen. Das sind 3,5% mehr als im Vorjahr. Bedeutsam ist auch, dass sie sogar 16% mehr Geld ausgegeben haben als im Vorjahr. Aus den USA wurde wegen des günstigen Wechselkurses sogar ein Zuwachs von 21,3% verbucht.
Nichts gelernt?
Insgesamt fällt die Bilanz von Rajoy dann doch sehr bescheiden aus, für die Merkel ihn über allen Klee vor den Wahlen angesichts des Absturzes seiner Volkspartei (PP) bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai lobt. Denn sie versucht alles, um die Konservativen dort an der Macht zu halten. Die Kanzlerin weiß aber, dass das Wachstum alles andere als nachhaltig ist und auch durch neue Bautätigkeit gefördert wird. Dabei hat Spanien den tiefen Absturz genau diesem Modell zu verdanken.
Dass daraus nichts gelernt wurde, zeigt sich seit langem. Um kurzfristig für Jobs zu sorgen, hatten auch Regionalregierungen vor den Wahlen im Mai die Bautätigkeit deutlich gesteigert. Auch Madrid gibt dafür vor den Parlamentswahlen im Herbst dafür deutlich mehr aus. Hier ist vor allem der Defizitbringer zu nennen, mit dem Spanien immer neue extrem teure Schnellbahntrassen durchs Land legt, obwohl sich keine bisher rechnet.
Auch deshalb wird damit gerechnet, dass Spanien die mit der EU-Kommission vereinbarten Defizitziele erneut verfehlt. Viele Spanier merken nichts vom Aufschwung. Die Zahl der Zwangsräumungen ist im Frühjahr erneut um 2,1% gestiegen. Mehr als eine halbe Million Familien wurden schon geräumt. Mehr als die Hälfte aller Arbeitslosen erhält schon keinerlei staatliche Hilfen mehr.
Viele Familien verfügen über keinerlei Einkünfte, weil in 1,7 Millionen Haushalten alle Mitglieder weiter keinen Job haben. Eine Kritik in Berlin blieb an antidemokratischen Knebelgesetzen und einem allgemeinen Abbau von sozialen und demokratischen Rechten genauso komplett aus, wie die Tatsache, dass Korruption in Spanien Urstände feiert und Rajoys PP oft im Zentrum steht.