Obamas Finanzmarktreform nimmt ohne Bankenabgabe die letzte Hürde
Auch der US-Senat billigte die abgespeckte Finanzmarktreform, die angeblich strengere Regeln und mehr Aufsicht bringen soll
US-Präsident Barack Obama hat seine Finanzmarktreform über alle parlamentarischen Hürden gehoben. Nach dem Repräsentantenhaus hat gestern auch der Senat dem Vorhaben sein Plazet gegeben. Nun fehlt nur noch die Unterschrift des Präsidenten, damit das Gesetz in Kraft treten kann, das als "größte Reform der Finanzmärkte seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahren" bezeichnet wird. Damit soll verhindert werden, dass sich eine Finanzkrise, wie die derzeitige, wiederholen kann.
Nach dem Scheitern des Dodd-Frank-Act Ende Juni, erreichte das Gesetz nun im Senat die nötige Drei-Fünftel-Mehrheit. Die nötigen 60 Stimmen erhielt der Entwurf nur, weil drei moderate Republikaner dafür gestimmt haben. Doch dafür musste unter anderem die Bankenabgabe gestrichen und das Gesetz weiter verwässert werden. Mit der Bankenabgabe wollte Obama die Verursacher der Krise an den Kosten beteiligen. Nun klafft ein weiteres Loch in seinem Haushalt, denn Einnahmen von 19 Milliarden Dollar hatte er über die Abgabe eingeplant. Die Chancen für eine internationale Bankenabgabe, auf die sich der G20-Gipfel nicht einigen konnte, sind nun noch geringer geworden.
Doch das ist nicht das einzige Problem dieses Gesetzes. Insgesamt wird bemängelt, dass zwar mehr als 2.300 Seiten voll geschrieben wurden, vieles aber trotzdem nur sehr vage formuliert ist. Es darf erwartet werden, dass viele riskante Geschäfte, die nun erschwert werden sollen, wohl zum Großteil einfach nur besser getarnt werden müssen. So wurde schon von Banken durchgespielt, wie sie das Gesetz austricksen können. "Das über 2000 Seiten starke Regelwerk verfehlt damit seine Ziele, noch bevor es überhaupt verabschiedet wurde", finanzreform-us-banken-tricksen-obama-aus/50142784.html: urteilte die Financial Times Deutschland kürzlich. Eigentlich sollte es große Institute daran hindern, übermäßige Risiken einzugehen, damit sie bei Problemen nicht ein weiteres Mal vom Staat gerettet werden müssen. Ob das klappt, darf ebenso bezweifelt werden, wie wohl auch die Transparenz tatsächlich nicht viel größer wird.
Was die Kontrollinstanzen angeht, die den Derivate-Handel besser kontrollieren sollen, werden Böcke zu Gärtnern gemacht. Es wird ein Aufsichtsrat unter Vorsitz des US-Finanzministers geschaffen, dessen Aufgabe es sein soll, große Risiken für das Finanzsystem festzustellen. Die Sparkassenaufsichtsbehörde wird geschlossen und die Mehrzahl ihrer Aufgaben erhält das Office of the Comptroller of the Currency (OCC), das wiederum eng mit dem Finanzministerium zusammenarbeitet. So wird die Rolle des Finanzministeriums unter Timothy Geithner gestärkt. Ob das eine gute Idee ist, daran darf stark gezweifelt werden. Denn Geithner gehörte doch in der New Yorker Filiale der Notenbank (FED) zu denen, welche die Krise verschlafen haben. Dabei lagen ihm und anderen Aufsehern zum Beispiel alle Infos über die zusammenbrechende Investmentbank Lehman Brothers vor.
Dass sich Privatinvestoren und Hedgefonds mit Vermögenswerten von mindestens 150 Millionen Dollar nun bei der US-Börsenaufsicht SEC registrieren müssen, ist auch ein schwacher Trost. Denn die SEC hat sich mit Ruhm in der Finanzkrise auch nicht gerade bekleckert. Oder erinnert sich niemand mehr daran, dass der Börsenaufsicht alle Infos über das Schneeballsystem in Milliardenhöhe von Madoff vorlagen, sie aber jahrelang untätig blieb?
Interessant ist auch, dass die Einlagensicherungsbehörde FDI9 künftig für 250.000 Dollar pro Sparer einstehen muss. Bisher waren es 100.000 Dollar. Doch woher soll das Geld kommen? Schließlich ist die FDIC pleite und musste im vergangenen Jahr selbst vor dem Absturz gerettet werden. Die Vorauszahlung der Gebühren für drei Jahre im Voraus verhinderte den Absturz angesichts des Bankensterbens, das mit 140 geschlossenen Instituten 2009 einen Rekord erreichte. Das Geld dürfte bald aufgebraucht sein, schließlich sieht alles danach aus, dass der Rekord dieses Jahr gebrochen wird. Schließlich sind 2010 schon 88 Banken abgeschmiert. Die Erhöhung der Beiträge, was auch immer wieder diskutiert wird, würde aber noch mehr Banken in den Ruin treiben.
Es wird sich zeigen müssen, ob die Aufsicht nicht noch chaotischer wird und letztlich genau die Situation fortbesteht oder sich verschlimmert, die vor der Finanzkrise bestanden hat. Es letztlich also im Wirrwarr der diversen Aufseher den Akteuren auch weiterhin möglich ist, weitgehend unberührt von staatlicher Kontrolle agieren zu können, weil niemand wirklich durchblickt. Da sollte sich Geithner noch einmal den Beitrag durchlesen, den er am 13. April für die Washington Post geschrieben hat. "It is simply unacceptable to walk away from this recession without fixing the system's basic flaws that helped to create it."
Mit diesem Gesetz werden die Probleme, die zur Krise und zur Rezession geführt haben, nicht behoben. Es wird noch mehr Aufseher geben und es werden vor allem die noch stärker mit den Aufgaben betraut, die an ihrer Aufgabe bereits gescheitert sind. Und vor einem System, das auf das Urteil künftiger Aufseher angewiesen sei, hatte sogar Geithner im April gewarnt: "We cannot build a system that depends on the wisdom and judgment of future regulators."