ÖDP klagt gegen indirekte Parteienfinanzierung
Seit das Bundesverfassungsgericht der direkten Parteienfinanzierung über Steuergelder in den 1960er Jahren Grenzen setzte, explodierten die Zahlungen an Fraktionen, Abgeordnete und Stiftungen
1966 und 1968 sprach das Bundesverfassungsgericht Urteile, die der Selbstbedienung der Parteien aus dem Steuersäckel Grenzen setzen sollten. Seitdem stiegen die Ausgaben für Abgeordnetenmitarbeiter, Fraktionen und Stiftungen sehr stark an. Die Parlamentsfraktionen erhalten heute beispielsweise mit rund 190 Millionen Euro nicht nur fünfzig Mal mehr Geld als damals, sondern mehr als die direkte Parteienförderung, die dieses Jahr bei etwa 151 Millionen Euro liegen wird. Hinzu kommen 152 Millionen Euro für die im Schnitt zehn "persönlichen Mitarbeiter" eines Bundestagsabgeordneten, 75 Millionen Euro für die Angestellten von Landtagsabgeordneten und ungefähr 350 Millionen Euro Staatsgelder an die parteinahen Stiftungen.
Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die in Bayern über eine Volksabstimmung das absolute Rauchverbot durchsetzte, vermutet hinter diesen Kostenexplosionen eine verdeckte Finanzierung der etablierten Parteien und klagt nun in Karlsruhe. Dieser Vorstoß gilt unter anderem deshalb als durchaus nicht chancenlos, weil ihn der namhafte Verwaltungswissenschaftler Hans-Herbert von Arnim auf 92 Seiten und mit 18 Anlagen sehr detailliert begründet. Er führt unter anderem auf, dass Abgeordnetenmitarbeiter mittlerweile als "eigentliches organisatorisches Rückgrat der Parteien" fungieren, was nicht zuletzt an den vielen Parteifunktionären sichtbar wird, die in den Büros der Parlamentarier auf Steuerzahlerkosten angestellt sind. Bei der Einführung der Abgeordnetenmitarbeiterspesen 1969 hatten Vertreter der Parteien noch hoch und heilig versprochen, mit dem Geld niemals Funktionäre bezahlen zu wollen.
Damit sich der Bundesrechnungshof nicht an diesen Funktionären (und am Anteil der Öffentlichkeitsarbeit, den die Abgeordnetenmitarbeiter betreiben) stört, entzogen ihm die Parteien einfach die Kontrolle über sie und die Fraktionen. Von den Ausgabenerhöhungen bekam die Öffentlichkeit aber auch deshalb praktisch nichts mit, weil Erhöhungen bei Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeitern und Parteistiftungen über bloße Änderung von Titeln im Gesamthaushalt versteckt und nicht im Gesetzblatt veröffentlicht werden. Und die Oppositionsparteien hatten als Mit-Nutznießer kein Interesse daran, dass Bürger darüber debattieren. Erst, als sie keine Karriere mehr zu verlieren hatten, konnten Politiker wie der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler zugeben, wovon heute auch der überwiegende Teil der Politikwissenschaftler ausgeht: Dass die "Trennung zwischen parlamentarischer und parteipolitischer Arbeit" in Wirklichkeit nur mehr bloße "Fiktion" ist.
Problematisch ist die verschleierte Parteienfinanzierung Arnim zufolge nicht nur wegen der grundgesetzwidrigen Benachteiligung von Parteien, die nicht oder nur mit wenigen Mandaten in Parlamenten vertreten sind, sondern auch, weil sie die Parlamentsparteien seiner Ansicht nach von "Mitglieds- und Bürgerparteien" zu "bürgerfernen Staatsparteien" werden lässt, was dem "Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien widerspricht" und für eine "zunehmende Lücke zwischen Politik und Bürgern mit verantwortlich" ist.