Offshore-Windkraft: Bitte die Handbremse lösen
Branche fordert mehr Personal in den Behörden, mehr Ausbildung von Fachkräften und höhere Ausschreibungsmengen
Die Windenergiebranche schaut angesichts der Pläne der neuen Bundesregierung optimistisch in die Zukunft: "Das Bekenntnis der Ampel-Koalition zum deutlich schnelleren Ausbau der Offshore-Windenergie ist ebenso richtig wie die konkrete Zielvorgabe von mindestens 30 Gigawatt bis 2030", heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung verschiedener Hersteller- und Betreiberverbände.
Diese Zielsetzung schaffe eine positive Perspektive für die gesamte Wertschöpfungskette. Beklagt wird allerdings die bisher "falsch gesetzte(n) politische(n) Rahmenbedingungen", die zum derzeitigen Stillstand geführt haben. Im vergangenen Jahr ist vor den Küsten kein einziges neues Windrad in Betrieb gegangen.
Offshore herrscht Ausbauflaute, obwohl dort, hinter dem Horizont, die Anlagen wirklich keinen Nachbarn stören könnten und bei den entsprechenden Vorkehrungen auch die Eingriffe in die maritimen Ökosysteme minimal bleiben.
Auch der Wind weht auf See übrigens stärker und stetiger, sodass die Offshore-Anlagen mehr aus ihrer maximal möglichen Leistung machen können. Derzeit drehen sich in der Nordsee und zum deutlich geringeren Teil auch in der Ostsee 1.501 Anlagen mit einer Leistung von 7.794 Megawatt.
Im vergangenen Jahr haben sie 14,2 Milliarden Kilowattstunden ins Netz eingespeist, knapp 125 Prozent der Menge, die im vergangenen Jahr das Ende Dezember stillgelegte AKW Brokdorf netto produziert hat.
Die Anlagen stehen mit einer Ausnahme alle außerhalb der 12-Meilen-Zone und sind bestenfalls von einigen Inseln zu sehen, und das auch nur als kleine Striche am Horizont. Nachts sieht man ihre Lichter, mit denen sie ihre Position Flugzeugen anzeigen.
Doch auch das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Eine neue Technik macht es möglich, dass die langsam blinkenden roten Lampen nur noch angehen, wenn sich tatsächlich ein Flugzeug nähert.
Um die neuen Ausbauziele zu erreichen, muss nach Ansicht der Verbände in den zuständigen Genehmigungsbehörden mehr Personal eingestellt sowie die Verfahren vereinheitlicht und beschleunigt werden.
Außerdem brauche es ab sofort größere Ausschreibungsmengen, um ein Hochfahren des schnellen Ausbaus anzustoßen. Damit könnte auch einem "Ausbaustau" zum Ende des Jahrzehnts vorgebeugt werden.
Gebaut kann erst werden, wenn es neben der Genehmigung für die Anlagen und die Kabel zum Festland auch einen Zuschlag in einem zentralen, von der Bundesnetzagentur organisierten und gesetzlich regulierten Ausschreibungsverfahren gibt.
Ein schnelles Hochfahren sei auch "für den Erhalt von Innovation, Beschäftigung und Wertschöpfung" nötig. Schließlich wird der Ausbau und die "gezielte Förderung von Aus- und Fortbildung" gefordert.
Denn während gegen die Energiewende noch immer der vermeintliche Verlust von Arbeitsplätzen ins Feld geführt wird, zeichnet sich bereits ab, dass der geplante Ausbau von Sonne, Wind & Co. selbst in der vorgesehenen unzureichenden Version der Berliner Koalitionäre mit dem Fachkräftemangel Probleme bekommen wird.