Radioaktive Ladung im Nachhinein bestätigt
Der russische Frachter "Mikhail Lomonosov" hatte Uran-Pellets und Uranhexafluorid (UF 6) an Bord, als er die britische Yacht rammte
Die Schiffskollision in der Nacht von Freitag auf Samstag vor einer Woche in der Ostsee vor Rügen gab Rätsel auf. Der Frachter "Mikhail Lomonosov" der russischen Reederei Northern Shipping Company (NSC), der den Unfall verursachte, hätte höchst wahrscheinlich radioaktives Material geladen, mutmaßten Anti-AKW-Gruppen. Die zuständigen Behörden hüllten sich in Schweigen – wohl bis die atomare Fracht, Uran-Pellets, d.h. zu Keramik gebrannte Uranoxid-Tabletten, zur Weiterverarbeitung in der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen angelangt war. Über den Verbleib des ebenfalls an Bord befindlichen hoch toxischen Hexafluorid (UF 6) ist bis heute nichts bekannt. Der Eigentümer des britischen Segelschiffes erfuhr erst durch seine Versicherung, dass der Frachter eine hoch brisante Ladung transportierte.
Tony Kearney, der Skipper der britischen Yacht, schilderte dem Magazin Panorama 3 des NDR-Fernsehens die Geschehnisse vom 19. Oktober 2013. Demnach näherte sich der Frachter der Yacht unbeleuchtet, erst ca. 50 m vorher wurden die Scheinwerfer eingeschaltet. Kearney sah ein "Riesenschiff" auf sich zukommen, da rumste es auch schon gewaltig. Dabei hatten der Brite und seine Crew noch Glück im Unglück: "Der Aufprall war lebensgefährlich. Wir hatten Glück, dass er uns nicht noch seitlicher getroffen hat, dann wären wir gekentert."
Das Segelschiff war fahruntüchtig und musste von der Seerettung abgeschleppt werden. Das interessierte den Kapitän der "Mikhail Lomonosov" indes wenig – der Frachter fuhr einfach weiter, er "verschwand in der Nacht", so Kearney.
"Wenn ein Schiff mit solch gefährlicher Ladung auf dem Meer so gesteuert wird, dann wird mir Angst und Bange", kommentierte er die Information seiner Versicherung, dass er von einem Frachter mit radioaktiver Ladung gerammt worden sei, Panorama 3 gegenüber. Auch die Seerettung war nicht über die Ladung informiert. Es hätte keinen Notfallplan gegeben, für den Fall, dass radioaktive Stoffe frei gesetzt worden wären.
Das Schiff, das in St. Petersburg gestartet war, kam am vergangenen Montag im Hamburger Hafen an. Die zuständigen Behörden hielten mit Informationen über die Ladung der Presse gegenüber hinterm Berg. Erst sehr viel später wurde die Annahme der Umweltgruppen offiziell bestätigt. "Vermutlich haben sie damit gewartet, bis die Uran-Pellets ungestört in Lingen angekommen sind, um Protestaktionen zu vermeiden", schätzt ein Aktivist der Hamburger Systemoppositionellen Atomkraft Nein Danke Gruppe (SAND) gegenüber Telepolis.
Ob Kearney Anzeige gegen den Kapitän der Mikhail Lomonosov erstattet hat, ist nicht bekannt. Die so genannte friedliche Nutzung der Atomenergie hinterlässt Spuren: im Kleinen, wie bei dem Crash des russischen Frachters mit der Segelyacht, oder bei dem Brand der "Atlantic Cartier" am 1. Mai 2013 im Hamburger Hafen, oder im Großen, wie in Fukushima, wo der atomare Super-GAU noch lange nicht vorbei ist. Die Folgen dessen sind laut dem Hamburger Physiker und Anti-AKW-Aktivisten Fritz Storim nicht abzusehen. Möglicherweise werde die gesamte nördliche Welthalbkugel davon noch in Mitleidenschaft gezogen.
Die Gefahr durch das Erdbeben in Japan, das die Welt in Atem hielt, scheint indes vorerst gebannt. Wie die Umweltorganisation Greenpeace mitteilte, "gibt es in Folge des neuen starken Erdbebens nach Betreiberangaben keine Auffälligkeiten". Greenpeace beruft sich dabei auf Angaben des Betreiberkonzerns Tepco.