Rolle rückwärts!

Die brasilianische Regierung wird nun doch 4.000 kubanische Mediziner anwerben, um dem Ärztemangel in der Peripherie der Großstädte, vor allem aber in den ärmeren Bundesstaaten im Norden und Nordosten des Landes zu begegnen

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Eine entsprechende Vereinbarung mit der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation ( PAHO) gab am Mittwoch der brasilianische Gesundheitsminister, Alexandre Padilha, bekannt. Bereits ab der kommenden Woche sollen in einer ersten Etappe 400 kubanische Fachkräfte in Brasilien eintreffen; die restlichen bis Ende des laufenden Jahres folgen.

In der Regierung herrscht aber keineswegs Einigkeit über die Maßnahme. Das Arbeitsministerium de-medicos-cubanos.shtml kündigte an, es werde prüfen, ob die Vereinbarung zur Anwerbung kubanischer Ärzte mit dem Arbeitsrecht und der Verfassung konform sei. Dabei geht es vor allem um den Umstand, dass die Gehälter der kubanischen Mediziner nicht direkt sondern an die kubanische Regierung gezahlt werden.

Die Ärzteverbände Conselho Federal de Medicina (CFM) und Associação Médica Brasileira (AMB) kritisierten die Entscheidung der Regierung scharf. Sie erfolge mit Blick auf eine mögliche Kandidatur Padilhas bei den Gouverneurswahlen von São Paulo 2014. "Brasilien betritt gefährliches Terrain von Pseudo-Hilfen aufgrund offensichtlicher persönlicher und wahltaktischer Interessen", hieß es in einer Stellungnahme der CMF. Die AMB erklärte, rechtliche Schritte gegen die Maßnahme zu prüfen.

Die Interessensverbände sind nicht generell gegen die Anwerbung ausländischer Ärzte; verlangen jedoch, dass diese einer Fachprüfung unterzogen werden. Eine solche Fachprüfung funktionierte in der Vergangenheit immer auch als Instrument der Abschottung des Arbeitsmarktes. Zudem fordern sie den Nachweis von Sprachkenntnissen. Beides wird von den 4.000 Kubanern nicht verlangt, ein Umstand, der vom CMF heftig kritisiert wird. Aus Sicht der Ärzteverbände sind nicht die fehlenden Ärzte das Problem, sondern die fehlende Infrastruktur in den strukturschwachen Bundesstaaten.

Bereits im Mai hatte die Regierung über die Anwerbung kubanischer Ärzte nachgedacht, nach Protesten der brasilianischen Ärzteverbände davon aber wieder Abstand genommen. Allen voran der CMF äußerte damals Zweifel an der Qualität der medizinischen Ausbildung in Kuba. Bei der Zurückweisung der Kubaner spielten aber wohl auch ideologische Gründe eine Rolle. Anfang Juli startete die Regierung Dilma Rousseff das Programm "Mais Médicos", um eine flächendeckende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Dafür sollten nun bevorzugt einheimische und im Ausland ausgebildete brasilianische Fachkräfte eingestellt und erst danach ausländische Fachkräfte angeworben werden, allen voran spanische und portugiesische Mediziner.

Aber einer ersten Phase der Einschreibung meldeten sich weit weniger Mediziner als benötigt. In einer Art Sofortmaßnahme ist daraufhin sogar über den Einsatz von rund 7.000 Militärärzten nachgedacht worden. Insgesamt hatten sich 3.511 Landkreise (municípios) für "Mais Médicos" angemeldet und die Besetzung von 15.460 Stellen angefordert; aber nur 1618 Mediziner ließen sich registrieren. Zwei von ihnen wurden wegen Problemen mit der Justiz ausgeschlossen, 63 weitere wegen unvollständiger oder unzureichender Unterlagen. Über eine zweite Liste warb die Regierung 36 ausländische Fachkräfte an. Die 1.589 eingeschriebenen Mediziner decken aber gerade einmal 10,3 Prozent der zu besetzenden Stellen ab.