Selbstmord eines spanischen Skandal-Bankchefs?
Der Ex-Bankchef Miguel Blesa wurde in einem ersten Verfahren schon zu sechs Jahren Haft verurteilt und nun mit einer Kugel in der Brust tot aufgefunden
Er war der erste Bankster in vielen Jahren, der wieder einmal in Spanien gesiebte Luft wegen seines betrügerischen Vorgehens atmen musste. Nun wartete Miguel Blesa noch auf die Bestätigung des Urteils von sechs Jahren Haft durch den Obersten Gerichtshof, zu der er schon in einem Verfahren verurteilt worden ist. Doch diese Strafe wird er nicht mehr antreten. Denn am frühen Mittwoch wurde der ehemalige Chef der geplünderten Sparkasse Caja Madrid tot mit einem Schuss in der Brust aus einem Jagdgewehr in der Nähe der südspanischen Stadt Cordoba aufgefunden. Allgemein gehen die Ermittler von Selbstmord aus.
Dafür spricht das finstere Panorama für den Mann, der als Freund des ehemaligen rechten Ministerpräsidenten Jóse María Aznar hoch aufgestiegen war, um dann aus großer Höhe ganz tief zu fallen. Blesa und Aznar hatten in den 1970er Jahren eine Ausbildung zum Steuerprüfer gemacht. Als der ehemalige Falangist Aznar 1996 dann für seine rechte Volkspartei (PP) Ministerpräsident wurde, hob er seinen Studienfreund – der keine Ahnung vom Bankwesen hatte - auf den Chefsessel des viertgrößten Geldinstituts des Landes.
Die Ermittler gehen bisher auch von Selbstmord aus, weil der ambitionierte Jäger bisher niemals seine 15 Waffen eigenständig transportiert haben soll, wie es nun aber der Fall war. Und dem Angestellten des Jagdsitzes, zu dem er sich zudem allein aus Madrid nach Andalusien begeben hat, übergab er bei dessen Verabschiedung nach einem gemeinsamen Frühstück auch noch explizit die Telefonnummer seiner Frau, "falls du sie anrufen musst". Als Rafael Alcaide dann das Jagdgelände "Puerto del Toro" verließ, hörte er plötzlich einen Schuss. Er eilte zurück und fand Blesa in der Garage vor. Heute wird die Leiche einer Obduktion unterzogen, die weitere Aufschlüsse bringen soll.
Der Bankster stand lange Jahre der Sparkasse vor, die unter seiner Führung regelrecht ausgeplündert wurde. Telepolis hatte zum Beispiel über die Kreditkarten berichtet, über die die Aufsichtsratsmitglieder frei – zudem am Fiskus vorbei – bedienen konnten. Damit, so zeigen die 460 Emails von und an Blesa, die der Recherchegruppe Xnet zugespielt und von ihr veröffentlicht wurden, hat sich Blesa über alle Parteigrenzen hinweg bis weit nach links, auch bei Vertretern der Vereinten Linken (IU) und der beiden Gewerkschaften CCOO und UGT, die Zustimmung zu seiner Wiederwahl erkauft. So ließ sich zum Beispiel der Kommunist Moral Santín kaufen. Mit fast einer halben Million Euro belastete er seine "schwarze" Kreditkarte, fast 400.000 Euro davon hob er in bar an Geldautomaten ab. Er hatte sich vor allem auch für eine bessere Bezahlung für die Sitzungen eingesetzt und bekommen. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt und gab die IU-Mitgliedschaft auf.
Das Geld stammte, das hat Blesa in diesen Emails sogar eingeräumt, zum Teil auch aus dem Verkauf der sogenannten "Preferentes". Da sich die Sparkassen, die große Caja Madrid besonders, durch die Ausplünderung und massive Fehlspekulationen beim Aufblähen der Immobilienblase verspekuliert hatte, geriet sie mit dem Platzen der Blase ab 2008 auf Absturzkurs. Um die Bilanzen aufzubessern, wurden dann zahllosen Kunden betrügerisch nachrangige Anleihen aufgeschwatzt.
Zwar konnte Blesa mit einer Kaution von 2,5 Millionen bisher eine längere Untersuchungshaft im Fall der Preferentes noch vermeiden, doch die Lage sah alles andere als gut für ihn aus. Schließlich haben etliche Urteile schon bestätigt, dass einfachen Sparer, für die diese Anleihen nie gedacht waren, sie als angebliche Festgeldanlagen aufgedrängt bekamen. Hunderttausenden wurden sie verkauft, oft alten Menschen, die bisweilen des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren.
Eigentlich gilt ja auch eine Unschuldsvermutung, solange Blesa nicht rechtskräftig verurteilt ist. Doch er räumte das betrügerische Vorgehen längst ein. In einer Email an das Caja Madrid-Führungsmitglied Matías Amat im Rahmen des Verkaufs der gefährlichen Hybridanleihen schreibt er. "Unglaublich. Und das obwohl wir die Kunden betrogen haben." Amat hatte Blesa zuvor mitgeteilt, dass man bisher für bis zu 2,2 Milliarden Euro an Hybridanleihen verkauft habe. "Statt die neuen Anleihen in sieben Wochen (was uns allen eine kurze Zeit erschien) zu platzieren, werden wir sie in einer Woche begeben haben!!!!!!!!"
Dieses Vorgehen hat nicht nur zahllose Menschen um ihre Ersparnisse gebracht, sondern hat in der Finanz- und Wirtschaftskrise Millionen in Arbeitslosigkeit und Armut gestürzt, von der sich das Land weiter unter der konservativen Austeritätspolitik nicht erholt hat. Eigentlich war allen klar, dass man aus dem Zusammenschluss von sieben maroden Sparkassen keine stabile Bank machen kann. Und so wurde Bankia letztlich, bei der immer neue Löcher in den Finanzen aufgetaucht sind, mit knapp 23 Milliarden Euro gerettet. Die kamen vor allem aus dem europäischen Rettungsfonds, bei dem Spanien einen Rettungsantrag stellen musste, weil es die Bankenrettungen nicht mehr schultern konnte. In die einzelnen Institute war schon zuvor viel Steuergeld zur Stützung geflossen.
Regierungschef Rajoy muss vor Gericht erscheinen
Die Betrügerei hörte aber nicht auf, nachdem Blesa abgesägt wurde und aus der Caja Madrid schließlich Bankia wurde. Ein neuer Vertrauter von Aznar wurde dort auf den Chefsessel gehoben. Nachfolger wurde der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Aznars Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister Rodrigo Rato. Auch der wurde schon wegen des Kreditkartenskandals verurteilt und konnte zeitweilig schon unangenehme Knasterfahrung sammeln. Kaviar für 4000 Euro, edelste Weine und Spirituosen, wie man sie auf Bankkosten bestellt hatte, gab es dort nicht.
Klar ist, dass der Selbstbedienungsladen Spanien geschlossen ist, weil sich die Gesellschaft verändert, wie das starke Auftauchen der Linkspartei Podemos (Wir können es) sehr deutlich gemacht hat. Die Justiz scheut sich nicht mehr, selbst wenn es weiter massive Widerstände aus der Politik gibt, Leute wie Blesa und Rato auch einzuknasten, wie einige Beispiele zeigen. Sogar der Regierungschef Mariano Rajoy muss angesichts der vielen Korruptionsskandale in seiner Partei nächsten Mittwoch vor Gericht erscheinen, wenn auch nur als Zeuge.
Rato muss sich noch wegen Bilanzfälschung, Betrug, Veruntreuung, Geldwäsche, betrügerischer Vermögensverschiebung, etc. vor Gericht verantworten und befindet sich in guter Familientradition. Insgesamt laufen vier Verfahren gegen Rato. Darunter auch ein Verfahren im Rahmen des Bankia-Absturzes, wo sogar der Chef der Notenbank vor den Kadi muss. Denn die spanische Zentralbank hatte trotz aller Warnungen den Börsengang genehmigt, mit dem erneut ein massiver Betrug seinen Lauf nahm.