Sex? Nein danke!
Eine Umfrage in Japan lässt vermuten, dass sich Asexualität ausbreitet
In Japan ist man besorgt, weil die Gesellschaft schneller als jede andere vergreist. Weil man ungern auf Immigration als Kompensation für den Bevölkerungsrückgang und die Veralterung setzt, hat man u.a. die Roboterforschung unterstützt, um die Alten auch ohne Billigarbeitskräfte aus dem Ausland versorgen zu können. Und man macht sich natürlich Gedanken über die sexuellen bzw. reproduktiven Gelüste der Japaner. Regelmäßig werden daher Umfragen gemacht, die erkunden sollen, wie es um den sexuellen Zustand der Nation steht.
Letztes Jahr stellte sich heraus, dass vor allem junge japanische Männer zunehmend die Lust am Sex verlieren. Ein Drittel der jungen Männer zwischen 16 und 19 Jahren und ein Fünftel der 20-24-Jährigen ist an Sex nicht interessiert oder lehnt ihn gar ab. Das ist deutlich mehr als 2008. Auch den jungen Frauen geht es nicht anders, fast 60 Prozent haben keine Lust auf Sex. Das wirkt sich auf die Begierden der Verheirateten aus. Letztes Jahr hatten mehr als 40 Prozent im Monat vor der Umfrage keinen Sex. Asexualität scheint die neue Lebensform zu werden, allerdings auf Kosten der Fertilität, schließlich kompensiert künstliche Befruchtung nicht den Rückgang der Sexualität, bei der Lust und Reproduktion zusammen kommen.
Und es hat sich nichts geändert. In der neuen Umfrage der Japanischen Gesellschaft für Familienplanung sagten weiterhin mehr als 40 Prozent der Verheirateten, dass sie keinen Sex im vergangenen Monat hatten. Nun liegt der Anteil der "sexlosen" Paare schon bei 41,3 Prozent, so hoch wie nie. Auch wenn Asexualität erst seit 2004 durch Umfragen erfasst wird, wo sie bei den Verheirateten noch bei 34,6 Prozent lag, dürfte der Peak einzigartig sein. Zudem ist auch nicht klar, ob die Japaner ehrlich sind, so dass womöglich die Zahlen noch geschönt sind. Die Gesellschaft befrägt alle zwei Jahre 3.000 Männer und Frauen zwischen 16 und 49 Jahren. Dieses Mal erhielt sie nur 1.300 valide Antworten, sonderlich repräsentativ ist die Umfrage also wohl nicht. Zudem mögen zwar Frauen über 49 Jahren natürlich keine Kinder mehr kriegen können, Männer aber schon.
Gefragt, warum sie keinen Sex hatten, sagten 28,2 Prozent der Männer und 19,3 Prozent der Frauen, dass sie durch die Arbeit zu müde dafür seien. 18 Prozent der Männer und 20,5 Prozent der Frauen meinten, dass sie nach der Geburt des ersten Kindes keine Lust mehr auf Sex hatten. Und 12 Prozent der Männer und 23,5 Prozent der Frauen erklärten, Sex fänden sie irgendwie schwierig. Die 35-39-Jährigen hatten am wenigsten Sex. Und wer keinen Sex hat, braucht auch keine Verhütungsmittel, um die Reproduktion zu unterminieren.
Wenn das Ergebnis der Umfrage einigermaßen realistisch ist - und dann wohl nicht nur für die japanische Gesellschaft, sondern auch für andere fertilitätsarme Länder wie Deutschland -, dann könnte dies auch einen Fortschrittsmythos aushebeln. Fortschritt schenkt nicht mehr Freiheit und Zeit, sondern zwängt offenbar immer mehr ein, was auf die sexuelle Lust schlägt. Es gäbe natürlich auch eine andere Deutung. Vielleicht hatten die Menschen früher wesentlich die Lust am Sex, während heute viele andere Vergnügungen damit konkurrieren, die auch leichter, problemloser und folgenloser zu haben sind.