Spanien gewinnt erste internationale Schlacht wegen gekürzter Einspeisevergütung
Ein Schiedsgericht hat zwei Klagen abgewiesen, was für die Regierung eine Vorentscheidung ist, die auch deutsche Unternehmen schwer treffen könnte
Nach der kalten Dusche diverser spanischer Regionalregierungen vor dem spanischen Verfassungsgericht kürzlich mussten nun auch zwei Investoren vor einem internationalen Gericht eine Schlappe hinnehmen. Die spanische Regierung feiert das als eine Vorentscheidung für diverse Klagen, mit denen neben Investmentfonds auch die Deutsche Bank oder große deutsche Energiekonzerne wie RWE, E.On, Steag und die Stadtwerke München gegen Spanien vorgehen.
Das Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer hat zwei Klagen gegen eine der Kürzungen der Einspeisevergütung für Solarstrom abgewiesen. Statt eine Entschädigung zu erhalten, müssen Charanne BV and Construction Investments SARL nun 1,2 Millionen Euro Prozesskosten bezahlen.
Die konservative Regierung feiert die Entscheidung als ihren Erfolg. In einer Erklärung des Industrieministeriums heißt es zu dieser ersten Entscheidung vor einem internationalen Gericht, das Schiedsgericht habe festgestellt, die Kürzungen aus dem Jahr 2010 seien "weder willkürlich, noch irrational, noch gegen das allgemeine Interesse" gerichtet gewesen, wie es die Kläger behauptet hatten. Im Urteil heißt es, diese erste Kürzung sei "annehmbar und vorhersehbar" gewesen. Die Investoren hätten "kein berechtigtes Vertrauen darauf haben können", dass der Regulationsrahmen, der die Vergütung bestimmte, "über die gesamte Lebensdauer ihrer Anlagen unveränderlich bleibt".
Allerdings sieht einer der Richter das anders. Er formulierte eine abweichende Meinung. Denn genau diesen Investoren wurde eine Vergütung für "mindestens 25 Jahre" unter ganz konkreten Bedingungen geboten, von der zukünftige Anlagen ausgeschlossen waren und dafür mussten Fristen eingehalten werden. Deshalb hätten sie "objektiv" davon ausgehen dürfen, dass dieses für sie anwendbare Tarifsystem "aufrechterhalten und nicht verändert" würde, schreibt Prof. Guido Santiago Tawil. Nach Erfüllung aller Bedingungen durch die Investoren sei es juristisch nicht hinnehmbar, dass Veränderungen mit "keinerlei juristische Konsequenzen" verbunden seien.
In der Mehrheit folgte das Stockholmer Schiedsgericht der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs in Spanien, der diese Kürzung aus dem Jahr 2010 ebenfalls kürzlich als rechtmäßig bezeichnet hatte. Die Konservativen können sich diesen Sieg in Stockholm aber nicht auf ihre Fahnen schreiben. Denn verhandelt wurde nur über eine erste Kürzung, die schon die sozialistische Vorgängerregierung vorgenommen hatte. Und die hatte nicht Hand an die eigentliche Vergütung angelegt, sondern die Zahl der Stunden gedeckelt, die pro Jahr eingespeist werden dürfen. Die 150 Kläger hatten den Schaden auf jeweils 740 Millionen Euro in den Jahren 2011-2013 bezifferten. Der spanische Gerichtshof hatte argumentiert, dass "kein bedeutsamer Rückgang der Rentabilität" zu verzeichnen sei, wenn man die gesamte Laufzeit von 30 Jahren im Auge habe.
Aber zu einer gegenteiligen Einschätzung könnte genau dieser Oberste Gerichtshof bei der Beurteilung der zweiten Kürzung kommen, welche die Konservativen 2013 dekretiert hatten. () Denn sie stellt einen zusätzlichen und tieferen Einschnitt dar. Dabei wurde die Schere auch direkt an der Vergütung angesetzt. Deshalb forderte erst kürzlich der Gerichtshof die 525 Kläger und den beklagten Staat zur erneuten Argumentation auf. Es wird erwartet, dass die dritte Kammer den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) zur Entscheidung anruft, weil auch europäische Rechtsnormen verletzt worden sein könnten. Die Kammer geht davon aus, dass Rechtsunsicherheit geschaffen worden sei und sie zweifelt daran, dass noch Rechtssicherheit für Investoren gegeben ist.
Also ist die Kuh, die Spanien zu Milliardenentschädigungen verpflichten könnte, längst nicht vom Eis. Vor allem wegen der massiven Einschnitte 2013 wird Spanien national und international verklagt. Die überwiegende Mehrzahl der Klagen wurde beim internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) eingereicht. Dort liegen 22 Klagen allein in dieser Materie vor. Spanien ist deshalb hinter Venezuela und Argentinien auf den dritten Rang wegen der Rechtsunsicherheit im Land vorgerückt. Weitere Klagen von spanischen Firmen oder Verbänden sind beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag anhängig, weil sie nicht vor das ICSID ziehen können. Darunter befindet sich der große spanische Abengoa-Konzern, der auch wegen der Kürzungen in Schieflage geraten ist.
Die Zweifel des Obersten Gerichtshofs und auch die abweichende Meinung des Stockholmer Richters zur Deckelung der jährlichen Stundenzahl machen klar, dass die ICSID-Richter in Washington oder die Richter in Luxemburg durchaus anders entscheiden und in der zweiten Kürzung tatsächlich eine "indirekte Enteignung" sehen könnten, wie Kläger die Kürzungen bezeichnen. So können auch die deutschen Unternehmen weiter hoffen, doch noch entschädigt zu werden.