Spanien rüstet Grenze mit messerscharfem Draht gegen Flüchtlinge auf
Der Grenzzaun zwischen Marokko und der Exklave Melilla wird wieder mit scharfem Klingendraht versehen
Nicht erst seit den verheerenden Bootsunglücken vor Lampedusa wissen Flüchtlinge um die Gefahr, auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer und im Atlantik zu ertrinken. Deshalb versuchen es seit 2012 () auch wieder verstärkt Flüchtlinge, die Grenzzäune zu den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta zu überwinden, die sich umschlossen von Marokko auf dem afrikanischen Kontinent befinden. Zwischen Januar und September sollen etwa 3.000 Flüchtlinge nach den Sicherheitsbehörden versucht haben, die Grenze zu überwinden. Das seien doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Gut der Hälfte soll es wie Solo Solimon gelungen sein, die Zäune überwinden. "Dazu braucht es viel Mut", sagte der 20-Jährige aus Kamerun der Tageszeitung El País.
Dass Melilla wieder verstärkt zum Ziel von Flüchtlingen wird, beunruhigt die spanische Regierung. Deshalb rüsten die Konservativen die Grenze wieder mit messerscharfem Klingendraht aus, um es Menschen wie Solimon unmöglich zu machen, hier nach Spanien und in die Europäische Union zu gelangen. Abdelmalik El Barkani, Vertreter der Zentralregierung in der Exklave, erklärte, auch ihm gefalle die Maßnahme nicht: "Doch die Sicherheitskräfte müssen ihre Aufgabe erfüllen und verhindern, dass Schwarzafrikaner eindringen können." Nur auf drei der zwölf Kilometer langen Grenze würde an "Brennpunkten" der gefährliche Draht installiert.
Dabei war der "Natodraht" erst 2007 aus "humanitären Gründen" an den Grenzen zu Ceuta und Melilla abgenommen worden. Beim Versuch, mit selbstgebauten Leitern und Teppichen damals den Doppelzaun zu überwinden, hatten sich immer wieder Menschen zum Teil schwere Schnittverletzungen zugezogen, die bisweilen tödlich waren. Nach harscher Kritik an der sozialdemokratischen Regierung wurde der Klingendraht abgenommen. Dafür wurden die Zäune auf sechs Meter erhöht und ein dritter Zaun sowie eine elektronische Überwachung installiert.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Flüchtlinge eine Möglichkeit finden, auch mit Natodraht bewehrte Zäune zu überwinden
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sprechen vom "Rückschritt bei den Rechten der Flüchtlinge". Der Direktor der spanischen Sektion, Esteban Beltrán, amnistía alerta de que las cuchillas en la verja de melilla violan los derechos humanos.html kritisiert, dass die "EU-Sicherheitspolitik" in den Vordergrund gestellt würde, während der "Schutz der Menschenrechte" in den Hintergrund trete. "Das ist auf Lampedusa und an der Grenze zu Marokko gleich." Die erneute Installation des messerscharfen Drahts werde "die Flüchtlinge nicht davon abhalten, die Grenze zu überwinden, sondern nur zu schweren Verletzungen bei vielen Menschen führen", sagte er.
SOS-Rassismus sieht es sos racismo critica que la concertina se haya colocado casi a escondidas.html ähnlich und ihr Generalsekretär Mikel Mazkiaran kritisierte auch, dass "heimlich" damit begonnen wurde, den Natodraht zu verlegen. Damit würde nur der Gesundheitszustand von ohnehin schwer angeschlagenen Personen zugespitzt. Doch auch bei Polizeigewerkschaften und Vereinigungen stößt die Maßnahme auf Kritik. So zweifeln auch die UFP, die CEP und die SUP daran, dass Flüchtlinge nun davon abgehalten würden, die Grenze zu überwinden. Die paramilitärische Guardia Civil, die mit dem Grenzschutz betraut ist, kritisiert, dass nur ein Teil der Grenze aufgerüstet werde. Deren Vereinigung (AUGC) meint, damit würde angezeigt, "wo man die Grenze überwinden kann und wo nicht". In einer Erklärung gibt sich die AUGC überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Flüchtlinge eine Möglichkeit finden, auch mit Natodraht bewehrte Zäune zu überwinden.
Tatsächlich haben schon am Samstag wieder 16 Flüchtlinge die Grenze zur Exklave überwunden. Statt über die Zäune zu klettern, umschifften sie mit einem Motorboot die Grenzanlagen und gingen um 10 Uhr 20 am Strand "'Los Cárabos" an Land. Den marokkanischen Sicherheitsbehörden, die im Vorfeld für Spanien versuchen, die Menschen abzufangen, gelingt das immer weniger, wenngleich ihre Methoden nach Angaben von Hilfsorganisationen immer gewalttätiger werden, wie auch der Kameruner Solimon erklärt: "Wenn dich die Marokkaner erwischen, wirst du verprügelt und sie brechen dir die Beine."
Hilfsorganisationen wie Gadem und CMSM in Marokko berichten, dass seit 2012 verstärkt und immer brutaler gegen Flüchtlinge vorgegangen werde. Razzien konzentrierten sich auf Wohnstätten und Camps in Nordmarokko. Besonders konzentriere sie sich auf die Waldregion von Nador (bei Melilla), wo Flüchtlinge auf eine Chance warten. Es werde regelrecht Jagd auf sie gemacht, um sie an die Grenze zu Algerien zu bringen, wo sie mitten in der Wüste abgesetzt werden. Auf dem Weg würden vor allem Schwarzafrikaner oft Opfer von Misshandlungen.
Auch auf dem Landweg hält das Flüchtlingssterben an, noch bevor sie an die Küste kommen, um einen Weg nach Europa zu finden. Die Wüste birgt tödliche Gefahren. Das wurde vergangene Woche ebenfalls dramatisch deutlich. Im Niger wurden gleich 92 verdurstete Flüchtlinge aufgefunden, die sich auf dem Weg in Richtung Spanien oder Italien befanden. Seitdem Frankreich in Mali Krieg führt und es auch zu verschiedenen Anschlägen auf Gasanlagen im Januar in Algerien kam, überwacht deren Armee die Südgrenze noch deutlich schärfer als schon zuvor.
Doch dabei geht es aber nicht nur um Anti-Terror-Politik. Denn auch die EU stellt den Maghreb-Ländern viel Geld zur Verfügung, um die Flüchtlinge möglichst frühzeitig abzufangen. So versucht auch das Militär in Algerien die Flüchtlinge aufzugreifen und zurück in die Wüste zu schicken. Deshalb versuchte diese Gruppe es gleich, abseits der Straßen über die Grenze zu kommen, was für die überwiegende Zahl tödlich endete. Auch hier wird klar, dass die Flüchtlinge selbst durch immer schärfere Maßnahmen nicht abgehalten werden können, die Wege werden nur immer gefährlicher und damit steigt der Blutzoll.