Stuckrad-Barre mahnt Berliner Kurier ab
Anlass ist ein Verriss seines Kinofilms "Zettl"
"Zettl" ist ein Film, über den man eigentlich gnädig schweigen sollte, weil sein Regisseur Helmut Dietl in den 1970er und 1980er Jahren mit Serien wie Monaco Franze und Kir Royal picarische Meisterwerke herstellte, zu denen sich das spidermurphyganghaft harmlose Spätwerk Dietls verhält wie die Neuperlacher Hochhauswohnung, in die Therese Giehse in Münchner Geschichten umziehen soll, zu ihrer alten im Lehel.
Dass nun trotzdem darüber geschrieben werden muss, ist dem Drehbuch-Mitautor Benjamin von Stuckrad-Barre zu verdanken, der den Dammbruchsversuch unternahm, gegen einen Text zum Film mit einer Abmahnung vorzugehen. Der Berliner Kurier, den dieser Zensurversuch traf, hat bislang allerdings weder gezahlt, noch die geforderte Unterlassungserklärung unterschrieben, sondern stattdessen öffentlich gemacht, wie sehr die eigentlich grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit heute eingeschränkt werden kann.
Als Aufhänger für seine Abmahnung dient Stuckrad-Barres einschlägig bekanntem Anwalt eine im Text enthaltene Spekulation, inwieweit die Qualität des Zettl-Drehbuchs auch mit aufgegebenen Konsumgewohnheiten zu tun haben könnte. Diese Spekulation soll der Abmahnung nach eine "schwere Persönlichkeitsverletzung" sein. Warum dies konkret der Fall sein soll, obwohl der Popliterat die Grundlagen dafür vorher in Interviews lauthals an die Öffentlichkeit hinausbehauptet hat, führt das Anwaltsschreiben dem Berliner Verlag zufolge allerdings nicht aus. Dafür heißt es, dass man sich eine Strafanzeige wegen Beleidigung "vorbehalte".
Spekulationen, wie sie der Berliner Kurier anstellte, sind ein Grundelement der Film-, Musik- und Literaturkritik - wobei freilich umstritten ist, ob und welche Substanzen zu einer Verbesserung oder einer Verschlechterung der Werkgüte führen. Dass der Konsum oder Nichtkonsum stimmungsverändernder Substanzen aber einen Einfluss auf die Kreativität haben kann, ist unumstritten. So unumstritten, dass man auf Konferenzen sogar mit hochrangigen Buchhandelsfunktionären ernsthaft darüber diskutieren kann, ob eine Liberalisierung des Genussmittelrechts die Originalität der deutschsprachigen Literatur nicht besser zu fördern vermag als die soundsovielte Immaterialgüterrechtsverschärfung.
Bei Stuckrad-Barre, der vorher unter anderem durch eine Abmahnung des Satiremagazins Titanic auffiel, ist jedoch gut denkbar, dass er einfach zu langweilig ist, als dass der Konsum oder Nichtkonsum verbotener oder erlaubter Substanzen sich positiv oder negativ auf seine Schreibkunst auswirken würde. Seine Bücher waren nämlich schon immer so belanglos, dass man sich fragen musste, warum er so bekannt wurde. Aber das gelang ja auch Figuren wie Daniela Katzenberger oder "Bushido". Falls Helmut Dietl nach seinem Zettl-Debakel noch jemand Geld für einen nächsten Film gibt, sollte er in jeden Fall sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob er für das Drehbuch dazu statt Benjamin von Stuckrad-Barre nicht lieber Joachim Lottmann engagiert.