TTIP am Abgrund?

Frankreich erklärt, es müsse einen "definitiven und klaren Stopp" der Verhandlungen über den Freihandelsvertrag mit den USA geben. Update

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Für Entrüstung hatte gerade Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Deutschland gesorgt, als er erklärte, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP seien "de facto gescheitert, auch wenn es keiner so richtig zugibt“. Das sagte der SPD‑Chef am Sonntag beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz. In 14 Verhandlungsrunden zu 27 Kapiteln des Vertrags habe man "nicht einen einzigen gemeinsamen Text hingekriegt", verwies er auf die festgefahrenen Gespräche und forderte, man dürfe sich den Forderungen aus den USA nicht unterwerfen.

Vermutlich haben auch diese Worte die angeschlagene sozialistische Regierung in Paris dazu bewegt, in der Frage nun selbst Farbe zu bekennen und sich ein linkeres Profil zu geben. Schließlich stehen im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen an und es gibt massiven Widerstand gegen dieses Abkommen. Heute erklärte der für TTIP zuständige französische Außenhandelsstaatssekretär Matthias Fekl in einem Radiointerview:

"Es braucht einen klaren und definitiven Stopp der TTIP-Verhandlungen."

Frankreich werde von der EU-Kommission deshalb den Abbruch der Gespräche fordern, fügte Fekl an:

"Es gibt keine politische Unterstützung in Frankreich mehr für diese Verhandlungen."

Er machte, ähnlich wie Gabriel, auch deutlich, dass die Amerikaner nicht zum Einlenken bereit seien. "Die Amerikaner geben nichts oder nur Krümel", beklagte er. So dürfe unter Verbündeten nicht verhandelt werden. Diese Gespräche liefen nicht auf der Höhe der Beziehungen zwischen Europa und den USA ab und sollten später, auf einer soliden Basis erneut angegangen werden, meint der Staatssekretär. Nachprüfen kann man das alles ohnehin nicht, da weiter eine große Geheimniskrämerei vorherrscht.

Schon die Aussagen Gabriels haben die Gegenseite erstaunt und bei den Koalitionspartnern im Unionslager für Unmut gesorgt, wo man von einem Wahlkampfmanöver ausgeht. Doch in den USA dürfte man über die klare Position Frankreichs nun besonders erstaunt sein.

Ein Sprecher des Handelsbeauftragten Michael Froman erklärte auf die Aussagen Gabriels schon, dass die Verhandlungen "in Wahrheit ständige Fortschritte" machten. Es läge in der Natur solcher Gespräche, dass nichts vereinbart werde, bis alles vereinbart sei.

"Insofern ist es nicht im Geringsten überraschend, dass einzelne TTIP-Kapitel noch nicht förmlich beschlossen worden sind."

Man halte wie geplant am nächsten Treffen Mitte September fest. Man darf gespannt sein, ob Gabriel und Fekl die Verhandlungen wirklich abbrechen wollen oder ob sie nur versuchen, durch dieses Manöver die USA in Bewegung zu bringen und ihr deutliche Zugeständnisse abzuringen, um das Abkommen in Europa noch in der Amtszeit von Obama durchzudrücken und es in Europa damit rechtfertigen zu können.

Ergänzung

Wie erwartet, war der Vorstoß von Fekl kein Alleingang. Auch der französische Staatspräsident François Hollande sagte heute in Paris, die Verhandlungen mit den USA seien festgefahren und zu unausgewogen. Er wolle "keine Hoffnungen schüren", dass ein Abkommen ausgearbeitet werden könne, bevor Präsident Barack Obama im Januar 2017 aus dem Amt scheidet.

Interessant ist auch, ob der angekündigte Rücktritt von Wirtschaftsminister Macron etwas mit der neuen Versuchen der Regierung zu tun hat, sich links zu positionieren, wie nun mit den Äußerungen zu TTIP. Les Echos, aber auch andere Medien berichten, dass Macron, der kein Sozialdemokrat ist, die Regierung verläßt. Der unabhängige Kandidat, einst Investmentbanker, wolle sich ganz auf seine Bewegung "En Marche“ konzentrieren, heißt es. Anzunehmen ist, dass Macron als Präsidentschaftskandidat antreten wird, möglicherweise gegen Hollande.