Tempo 100 und weniger Mehrwertsteuer
Umweltbundesamt und Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft machen Vorschläge zum Umgang mit der Energiekrise
Das Umweltbundesamt (UBA) spricht von einer Energiekrise und ist der Ansicht, dass zehn Prozent der aus Russland importierten Energie – neben Erdgas und Erdöl ist das auch Kohle – sofort eingespart werden könnten.
Die privaten Haushalte könnten die Heizung etwas runterdrehen, weniger Warmwasser verbrauchen und "vor allem weniger und langsamer mit dem Auto fahren".
Allerdings gibt es schon jetzt nicht wenige Haushalte, die sich Heizen kaum noch leisten können, denen eine solche Aufforderung also bitter aufstoßen könnte. Geradezu zynisch muss es für sie klingen, wenn sie vom Ex-Bundespräsidenten aufgefordert werden, für die Freiheit zu frieren.
Insbesondere die Warmwasserversorgung mit elektrischen Boilern und Durchlauferhitzern führt dazu, dass immer wieder Menschen der Strom gesperrt wird, weil die Stromrechnung nicht bezahlt wurde.
In Berlin sind es jährlich 20.000, in Rheinland-Pfalz waren es 2019 13.282 und 2020 8.948 Haushalte und bundesweit waren es 2018 nach Angaben des ZDF knapp 300.000. Und das war zu einer Zeit, als der durchschnittliche Strompreis bei 29,47 Cent pro Kilowattstunde lag. Im Januar 2022 waren es hingegen bereits 36,19 Cent pro Kilowattstunde.
Selbst bei den Versorgungsunternehmen ist man inzwischen besorgt. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) unterstützt die Sparappelle, fordert aber zugleich Regierung und Parlament auf, Wirtschaft und Bürger zu entlasten.
Unter anderem schlägt er vor, "für einkommensschwache Haushalte (… ) sozialpolitische Unterstützung" anzubieten und für alle die auf Strom zu zahlende Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf sieben Prozent abzusenken.
Damit würde sich die Kilowattstunde immerhin um 3,62 Cent verbilligen. Um weitere 3,72 wird sie günstiger, wenn – wie am vorgestrigen Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen – ab Juli die sogenannte EEG-Umlage ganz wegfällt.
"Die Herausforderungen sind außergewöhnlich, daher bedarf es auch außergewöhnlicher Maßnahmen, um die Haushalte vor explodierenden Kosten zu schützen und die Handlungsfähigkeit der Unternehmen zu sichern."
Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung
Ein wenig anders verhält es sich hingegen mit der Aufforderung, langsamer zu fahren und unnötige Fahrten zu vermeiden. Ein Tempolimit von 100 km/h auf der Autobahn und 80 außerorts, wie es unter anderem auch von Umweltverbänden und Linkspartei als Antwort auf die Krise gefordert wird, könnte nach Berechnung des Umweltbundesamtes jährlich rund 2,1 Milliarden Liter fossilen Kraftstoff einsparen.
Das wären laut UBA immerhin 3,8 Prozent des derzeitigen Kraftstoffverbrauchs. Dabei berücksichtigt die Zahl, dass sich nicht alle an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten würden. Wäre dies der Fall, wären die Einsparungen um noch einmal 20 Prozent größer.