Tödliche Energiearmut in Spanien
Immer mehr Haushalte können Strom nicht mehr bezahlen und das Abstellen endet sogar oft tödlich
Immer wieder gibt es tragische Meldungen in Spanien, wonach Menschen ums Leben kommen, weil sie den Strom nicht mehr bezahlen konnten. Es gibt spektakuläre Fälle wie den der 81-jährigen Rosa, die das Thema auf die Tagesordnung rücken.
Sie erstickte vergangenen November in ihrer Wohnung im katalanischen Reus, nachdem eine Kerze einen Brand verursacht hatte. So musste sie ihre Wohnung beleuchten, da der Stromversorger Gas Natural ihr den Strom wegen unbezahlten Rechnungen abgestellt hatte. Doch der hatte nicht einmal den örtlichen Sozialdienst konsultiert, wie es vorgeschrieben ist. Allerdings setzte Gas Natural die Abschaltvorgänge – allerdings nur in Reus – nach dem tragischen Vorgang aus. In der Stadt mit gut 100.000 Einwohnern unterstützt die Gemeinde schon 774 Haushalte, damit deren Strom nicht abgestellt wird. Fast 1400 Haushalte können dort auch zudem die Wasserrechnung nicht bezahlen, dazu gehörte auch Rosa. Der Stadtverwaltung war dies bekannt.
Dieser Fall sorgte für Proteste, weil er so offensichtlich war, doch die Zahl derer, die an Energiearmut leiden, ist hoch und sie nimmt in Spanien stetig zu. Gemäß einer Studie der Vereinigung für Umweltwissenschaften ACA fordert die Energiearmut schon mehr als 7000 Menschenleben im Jahr. Das schätzt sie in Bezug auf Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das seien fast doppelt so viele Menschen, "wie durchschnittlich zwischen 1996 bis 2014 auf den Straßen bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen", schreibt die ACA. Da es 2016 nur noch 1160 Verkehrstote gab, sind das nun sogar schon sechsmal so viele.
In ihrer dritten Energiestudie stellt die ACA zudem fest, schon 11% der Haushalte - insgesamt 5,1 Millionen Menschen – könnten ihre Wohnung nicht mehr adäquat heizen: "Das ist ein Anstieg um 22 Prozent in nur zwei Jahren." Dabei spricht die konservative Regierung von einer angeblichen wirtschaftlichen Erholung und einem Wachstum von 3%, wovon viele Menschen jedoch nichts spüren.Es sind real mehr als vier Millionen Menschen und fast 19% arbeitslos. Davon erhält etwa die Hälfte keinerlei Unterstützung mehr. Erwartungsgemäß steigt die Arbeitslosigkeit nach dem Ende des Weihnachtsgeschäfts wieder deutlich. Offiziell haben im Januar erneut 57.000 Menschen ihre Jobs verloren. Aber die reale Zahl ist deutlich höher, denn im gleichen Monat hat die Sozialversicherung 175.000 Beitragszahler verloren.
Fälle wie der von Rosa, die eindeutig auf die grassierende Energiearmut zurückzuführen sind, sind eher selten. Viele, gerade ältere Menschen, sterben an Krankheiten wie an Lungenentzündungen, die durch Kälte in den Wohnungen ausgelöst oder gefördert werden. So stellt die ACA-Studie einen Zusammenhang von Gesundheit und Energiearmut her. Die habe nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit, sondern kranke Menschen hätten zudem "eine größere Chance unter Energiearmut zu leiden".
Befürchtet wird, dass die Zahl der Todesfälle deutlich steigt, da der Winter hier ungewöhnlich hart ist, mit Schnee und Minusgraden bis ans Mittelmeer. Wie in kaum einem EU-Land sind die Strompreise hier in den letzten Jahren gestiegen. In vielen Haushalten werden die Großhandelspreise für den Strom, der auch über die hohe Nachfrage aus dem Atomstromland Frankreich explodiert ist, direkt an die Verbraucher über intelligente Zähler weitergegeben. Viele Menschen trauen sich deshalb nicht, die Heizung anzuschalten.
Die ACA ruft dazu auf, sich an Protesten am "InternationalenTag gegen Energiearmut" am 10. Februar anzuschließen. Ausgehend von Großbritannien wird seit 2012 jährlich gegen das um sich greifende Phänomen protestiert. NachAngaben von Eurostat gaben schon 2012 in der EU 54 Millionen Menschen an, nicht genug Geld zu haben, um die Wohnung im Winter adäquat zu heizen. Allein in Frankreich sollen es mittlerweile mit 12 Millionen schon fast ein Fünftel der gesamten Bevölkerung sein, die von Energiearmut betroffen ist.
In Spanien hatten sich die regierende Volkspartei (PP) und die Sozialisten (PSOE) nach bisherigen starken Protesten zwar vor Weihnachten noch grundsätzlich darauf geeinigt, das Stromabstellen zu verbieten. Doch passiert ist bisher nichts und diesen Winter wird vermutlich auch nichts mehr passieren. Denn aus einem Beschluss zur Energiefrage im Parlament wurde die Frage am Dienstag ausgeklammert, kritisiert die Verbraucherschutzorganisation Facua. Beschlossen worden sei nur, diese in Zukunft in bestimmten Fällen regeln zu wollen.