Treibhausgase: Pandemieeffekt verpufft
Die Emissionen sind wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Deutschland läuft die Zeit davon: Beim derzeitigen Ausstoß reicht das Budget nur noch für sechs Jahre
Die globalen Treibhausgas-Emissionen haben 2021 voraussichtlich fast wieder das Niveau von 2019 erreicht. Der deutliche Rückgang im ersten Pandemiejahr war offensichtlich nur von kurzer Dauer. Zu diesem Ergebnis kommt das Global Carbon Project.
Seit 2001 nehmen in dieser internationalen Kooperation Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem aus Thailand, Norwegen, den USA und Frankreich jährlich die Emissionen in aller Welt unter die Lupe. Aus Deutschland sind unter anderem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung beteiligt.
Aufgrund eingeschränkter wirtschaftlicher Aktivitäten und vermindertem Verkehrs waren 2020 die Kohlendioxid-Emissionen weltweit um rund 5,4 Prozent zurückgegangen. Vorläufige Zahlen zeigen nun, dass sie 2021 vermutlich wieder bei 36,4 Milliarden Tonnen und damit in etwa dem Niveau von 2019 liegen werden.
Die Emissionen aus Kohle- und Gasverbrauch haben 2021 stärker zugelegt als sie 2020 gesunken sind. Die Emissionen aus der Verbrennung von Öl bleiben hingegen unter dem Niveau von 2019, heißt es beim AWI.
Optimisten verweisen an dieser Stelle darauf, dass die Treibhausgas-Emissionen zumindest nicht weiter angestiegen sind, dass sie also vielleicht ihren Gipfel erreicht haben. Von dem müsste es aber schleunigst talwärts gehen, und zwar steil, wenn das Pariser Klimaschutzziel noch erreicht werden soll.
"Kein nachhaltiger Effekt"
2015 war verabredet worden, die globale Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten und möglichst 1,5 Grad Celsius nicht überschreiten zu lassen.
"Die Corona-Lockdowns haben bisher keinen nachhaltigen Effekt ausgelöst. Deshalb müssen wir nun schnell wirkende Lösungen finden und global umsetzen, um Emissionen dauerhaft zu senken."
Judith Hauck, Klimawissenschaftlerin am AWI
Um 1,9 Milliarden Tonnen waren 2019 weltweit die Emissionen des wichtigsten Treibhausgases CO₂ (Kohlendioxid) zurückgegangen. In dieser Größenordnung müsste es jedes Jahr weitergehen, so Hauk.
Das verbleibende Budget
Wenn wir uns mit einer 50-prozentigen Chance, die entsprechenden Ziele zu erreichen, zufriedengeben – was angesichts der lauernden Gefahren für Welternährung, Küstenstädte und Bewohnbarkeit mancher Regionen schon ziemlich gewagt wäre – dann sieht das verbleibende Budget wie folgt aus:
Für eine Beschränkung auf 1,5 Grad dürften noch 420 Milliarden Tonnen CO₂ emittiert werden. Beim jetzigen Niveau wäre das schon in elf Jahren erreicht. Werden nur 1,7 Grad als Grenze angestrebt, bleiben noch 770 Milliarden Tonnen und 20 Jahre beim jetzigen Emissionsniveau.
Und wenn man selbst dieses Ziel noch reißen will und sich mit zwei Grad Celsius und dem sicheren Untergang zahlreicher Inselstaaten zufriedengibt, kann man noch 32 Jahre so weiter machen wie bisher.
Im Hinterkopf sollte man dabei aber behalten, dass in diesen Zahlen ein gewaltiges Risiko steckt. Wer würde schließlich sein Kind unbeaufsichtigt auf die Straße lassen, wenn es dort eine 50-Prozent-Chance hätte, von einem Auto überfahren zu werden.
Oder mit anderen Worten: Die 420 Milliarden Tonnen verbleibendes Emissionsbudget sind sehr großzügig gerechnet. Für eine sichere Zukunft für künftige Generationen müsste es deutlich kleiner angesetzt und entsprechend gehandelt werden.
Und was heißt das alles für Deutschland? Umgerechnet auf die 7,9 Milliarden Erdbewohner verbleiben noch rund 53 Tonnen CO₂ pro Kopf. Für Deutschland wären das noch 4,4 Milliarden Tonnen. Beim derzeitigen Niveau wird diese Menge in knapp sechs Jahren emittiert.