Ukraine: Wegen Finanzkrise Neuwahlen verschoben

Dem flächenmäßig zweitgrößten Staat Europas, der eine der höchsten Inflationsraten weltweit hat, droht die Zahlungsunfähigkeit, was die innenpolitischen Konflikte zuspitzt.

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Am 8. Oktober gab der ukrainische Präsident in einer Fernsehansprache die Auflösung des Parlaments bekannt und kündigte für den 7. Dezember Neuwahlen an. Wie Telepolis bereits berichtete, führte diese Parlamentsauflösung jedoch nur zu einer weiteren Eskalation in dem seit Wochen andauernden Machtkampf zwischen den einstigen Verbündeten Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko.

Da Timoschenko das präsidiale Dekret als verfassungswidrig ansieht, klagte sie mit Erfolg vor dem Kiewer Kreisverwaltungsgericht und weigerte sich zudem die für die Neuwahlen notwendigen 60 Millionen Euro aus dem Haushalt bereitzustellen. Geld, das ihrer Meinung nach in der Staatskasse nicht vorhanden ist und in den Zeiten der globalen Finanzkrise erst recht nicht verschwendet werden darf.

Über die Entscheidung des Kiewer Kreisverwaltungsgerichts konnte sich Präsident Viktor Juschtschenko noch hinwegsetzen. Das Argument der Premierministerin, das Geld würde die Staatskasse während der Finanzkrise nur unnötig belasten, erwies sich nun aber doch als stärker. Obwohl der Nationale Rat für Sicherheit und Verteidigung noch vergangene Woche Timoschenko dazu verpflichtete, das Geld für die Neuwahlen aus dem Reservefonds des Staatshaushalts bereitzustellen, gab Juschtschenko diesen Montag nach und verschob die Neuwahlen um eine Woche auf den 14. Dezember.

Als Grund gab der ukrainische Präsident folgende zwei Gründe an: den bisherigen Widerstand von Julia Timoschenko, der es verhindert die Wahlen zum vorgesehenen Zeitpunkt durchzuführen, und die aktuelle Finanzkrise. Wegen dieser setzte er auch die von ihm aufgelöste Werchowna Rada wieder ein, damit diese so schnell wie möglich wichtige Gesetze zur Bewältigung der Krise verabschiedet.

Und wie diese Gesetze aussehen sollen, ist mittlerweile auch klar. Der Nationale Rat für Sicherheit und Verteidigung fordert, die Budgetausgaben bis zum Ende des Jahres zu reduzieren, die Exportwirtschaft zu unterstützen und die Staatsgarantien für Bankeinlagen zu erhöhen. Viktor Juschtschenko fordert hinzu die Gründung einen Stabilisierungsfonds, der mit Mitteln aus Privatisierungen und dem Verkauf von Staatsanleihen finanziert werden soll. Ob dieser Fonds aber tatsächlich realisiert werden kann, bezweifeln die meisten Experten.

Denn wie die Wirtschaftszeitung Delo berichtet, droht dem flächenmäßig zweitgrößten Staat Europas, der eine der höchsten Inflationsraten weltweit hat, mittlerweile die Zahlungsunfähigkeit. Denn die globale Finanzkrise könnte eine Abwertung der Landeswährung, negative Konsequenzen für den Finanzsektor und schwere Auswirkungen für die Realwirtschaft zur Folge haben. Und erste Anzeichen dieses Zusammenbruchs sind schon zu spüren. Mit der Prominvestbank steht das sechstgrößte Kreditinstitut vor dem Kollaps und in der Stahlindustrie, die bisher 40 Prozent der gesamten ukrainischen Exporte produzierte, drohen Massenetlassungen. Erste Stahlhütten mussten bereits schließen.

Einen Rettungsanker für die ukrainische Wirtschaft soll ein Kredit des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 14 Milliarden Dollar sein. Dementsprechende Verhandlungen finden derzeit in Kiew statt. Und wie Julia Timoschenko am gestrigen Dienstag verkündete, sind diese Verhandlungen zu 90 Prozent abgeschlossen. Und falls dies stimmt, könnte Julia Timoschenko einen weiteren Erfolg in ihrem Machtkampf mit Viktor Juschtschenko verbuchen, der allein schon mit der Wiedereinsetzung des Parlaments eine Niederlage gegen seine einstige Mitstreiterin erleiden musste. Und weitere Niederlagen könnten folgen. Mittlerweile wird in der ukrainischen Presse darüber spekuliert, ob die um eine Woche verschobenen Neuwahlen tatsächlich am 14. Dezember stattfinden und nicht vielleicht doch erst Ende Januar oder Anfang Februar.