Verfassungsbeschwerde gegen Eurorettungsschirm ESM und Fiskalpakt angekündigt

Mit der Klage will der Verein Mehr Demokratie einen Volksentscheid erzwingen

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Bis Mitte Juni soll der Bundestag zwei ohne Bürgerbeteiligung ausgehandelten Verträgen zustimmen, die sehr weitreichende Folgen haben könnten: Mit dem "Europäischen Stabilitätsmechanismus" (ESM) wird ein dauerhafter "Rettungsschirm" etabliert, aus dem ein "Gouverneursrat" nicht nur Geld an Staaten, sondern auch direkt an Banken fließen lassen kann. Weil in dem Vertrag dazu steht, dass beim Ausfall eines Landes die anderen mehr zahlen, geht das tatsächliche Risiko des ESM deutlich über die 22 Milliarden Euro schwere deutsche Soforteinlage und die öffentlich kommunizierte Haftungssumme in Höhe von 167 Milliarden Euro hinaus.

Außerdem soll in diesem Zusammenhang der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union C:2008:115:0047:0199:DE:PDF: (AEUV) so modifiziert werden, dass eine Haftungsunion erlaubt ist. Der ebenfalls zur Ratifizierung anstehende "Fiskalpakt" begrenzt die Neuverschuldung eines Mitgliedslandes strafbewehrt auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wodurch staatliche Handlungsmöglichkeiten massiv eingeschränkt werden. Dies ist auch deshalb problematisch, weil der Fiskalpakt eine Klausel enthält, dass er nicht einseitig gekündigt werden kann.

Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler und Gregor Gysi von der Linksfraktion haben bereits verlautbart, die Verträge vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen oder ändern zu wollen. Nun gab auch der Verein Mehr Demokratie bekannt, im Falle einer Zustimmung des Bundestages zum ESM und zum Fiskalpakt den Rechtsweg zu beschreiten, es sei denn, vorher wird ein bundesweiter Volksentscheid darüber abgehalten. Dazu hat man ein Bündnis geschmiedet, dem unter anderem die Freien Wähler und die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) angehören. Der Klage sollen sich aber auch einfache Bürger anschließen können, ohne dabei ein Kostenrisiko fürchten zu müssen.

Juristisch betreut wird der Fall vom Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart und der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die SPD-Mitglied ist. Diese Personalie ist insofern bemerkenswert, als erwartet wird, dass die SPD-Fraktion im Bundestag dem Fiskalpakt zustimmt (obwohl ein offizieller Beschluss hierzu noch aussteht). Tut sie dies wieder Erwarten nicht, dann würde das Zustimmungsgesetz wahrscheinlich an der fehlenden Zweidrittelmehrheit scheitern.

Bei der "Bürgerklage", die Bestandteil der Aktion "Europa braucht mehr Demokratie" ist, geht es Mehr Demokratie nach eigenen Angaben weniger um die "finanzpolitischen Inhalte", als um den "Demokratieabbau", die Entmachtung der Parlamente und die "Verlagerung von Entscheidungen in intransparente, unkontrollierte Gremien". Mehr-Demokratie-Vorstand Roman Huber zufolge schaffen die beiden Verträge außerdem genau jenen europäischen Bundesstaat, den das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Euro-Rettungsschirmentscheidung als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sah.