Vergesst das Gehirn nicht
Das Protein PKMzeta galt als Zentralschalter für die Erinnerung, gar als Kandidat für effektives Gedächtnis-Doping. Nun kommen Zweifel auf.
In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene chemische Substanzen gefunden, die für das Erinnern zuständig sind. Eine zentrale Rolle wurde dabei immer PKMzeta zugeschrieben. Hinter dem Kürzel verbirgt sich ein Enzym, das Todd Sacktor bereits vor 20 Jahren entdeckt hatte. In einem seiner Versuche hemmte er im Hirn von Ratten das PKMzeta und konnte eine ansonsten stabile Erinnerung komplett löschen. In einem zweiten Versuch erhöhte er die Verfügbarkeit von PKMzeta und konnte nachweisen, dass dies bei den Nagern die Erinnerungsfähigkeit fördert.
Nicht nur Sacktor denkt, mit dem Enzym den Schlüssel zum menschlichen Gedächtnis in der Hand zu haben, sei es, um das Hirn besser lernen zu lassen, sei es, um es vergessen zu lassen. Zuletzt durfte eine Forschergruppe im anerkannten Magazin Science über die enorme Konsolidierungskraft von PKMzeta berichten.
Aber jetzt kommen Zweifel auf. Unabhängig voneinander deaktivierten zwei Forscherteams in Mausembryonen die Gene, die für die Bildung von PKMzeta verantwortlich sind. Die ausgewachsenen Mäuse besaßen das Enzym also nicht. Gleichwohl waren die Mäuse in der Lage, Erinnerungen auszubilden (Nature-Aufsätze hier und hier). Die Studien zeigen recht eindeutig, dass PKMzeta das Erinnerungsvermögen nicht als hauptverantwortliches Moment reguliert. Alternative Pfade sind möglich. Welche dies sind, muss weitere Forschung zeigen.
Wieder muss sich die Hirnforschung von der Hoffnung zu verabschieden, ein einzelnes Molekül sei in der Lage, Erinnerung (wer spricht noch von CREB?) oder Gefühle ( Oxytocin) zu formen. Simple Erklärungen sind verführerisch und ökonomisch besser verwertbar. Gegenseitige Abhängigkeiten im körpereigenen Prozess, äußere Einflüsse, individuelle Eigenheiten - dies alles wird spätestens virulent, wenn es um die pharmakologische Umsetzung der Forschungsergebnisse geht.